Bundesgerichtshof stärkt Verwalter und erklärt automatische Lösungsklauseln bei Insolvenzen für unwirksam

Bei auf Dauer angelegten Schuldverhältnissen haben die Parteien regelmäßig ein Interesse daran, die Risiken bei einer Insolvenz des Vertragspartners zu unterbinden. Entsprechend weit verbreitet waren und sind sogenannte Lösungsklauseln in Verträgen, nach denen für den Fall der Insolvenzantragstellung oder -eröffnung ein Vertrag automatisch endet oder durch eine Partei gekündigt werden kann.

Seit langer Zeit ist es höchst umstritten, ob solche Insolvenzlösungsklauseln rechtlich zulässig sind. Zumindest für Verträge über fortlaufende Waren- oder Energielieferungen hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 15. November 2012 (Az.: BGH IX ZR 169/11) mittlerweile Klarheit geschaffen und derartige Klauseln gemäß § 119 Insolvenzordnung (InsO) für unwirksam erklärt.

Nach Auffassung des BGH verstoßen Lösungsklauseln in Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren oder Energie, die an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Stellung eines Antrags auf Insolvenzeröffnung anknüpfen, gegen § 119 InsO. Denn, so der BGH, durch die Anknüpfung des Vertragsendes an den Insolvenzfall werde das Wahlrecht des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Fortführung oder Beendigung eines Vertrages nach § 103 InsO unterlaufen, dessen Sinn es sei, die Masse zu schützen und im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu mehren. § 119 InsO verbiete aber Vereinbarungen, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 – 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt werde. Vertragliche Regelungen, mit denen dieses Wahlrecht unterlaufen werden könnte, widersprechen daher dem Gesetzeszweck. Wirksam sei eine entsprechende vertragliche Regelung nur, wenn diese einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspreche, beispielsweise an den Verzugseintritt oder andere Vertragsverletzungen anknüpft. In dem Fall spricht man von einer zulässigen insolvenzunabhängigen Lösungsklausel.

Der BGH hat damit erneut die Rechte des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren gestärkt und eine für die Kautelarpraxis weitreichende Entscheidung getroffen. Das Urteil ist daher stark umstritten. Regelmäßig wird von den Kritikern des BGH der elementare Grundsatz der Vertragsfreiheit angeführt, der hierdurch in den Hintergrund trete. Sofern vereinbart wird, dass der Vertragspartner nur für den Fall der Insolvenz nicht mehr zu günstigen Sonderkonditionen liefern muss, komme ihrer Ansicht nach eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO hinsichtlich der Lösungsklausel in Betracht. Dies sei auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt. Auch der von den Befürwortern der Wirksamkeit solcher Lösungsklauseln regelmäßig angeführten Entstehungsgeschichte der Insolvenzordnung misst der BGH keine wesentliche Bedeutung bei. Die Vorstellung des historischen Gesetzgebers von der Zulässigkeit der Klauseln habe im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden.

Welche Bedeutung die Entscheidung für andere Vertragsarten hat, lässt der BGH offen. Für die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf andere Dauerschuldverhältnisse als Energie- oder Warenlieferverträge wird es entscheidend darauf ankommen, ob ein synallagmatisches Schuldverhältnis vorliegt und die Gefahr einer Umgehung des § 103 InsO besteht. In jedem Fall sind nunmehr Überprüfungen von Altverträgen und die Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten zur Absicherung gegen die Insolvenz des Vertragspartners nötig.