BFH und BMF stellen handelsrechtliche Grundsätze der Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen auf den Kopf

Wie bei Dienst- und Werkleistungen üblich, wurden auch in der Bau- und Planungsbranche bislang Gewinne erst dann realisiert, wenn das Werk übergeben und abgenommen wurde. Daher wurden auch Anzahlungen als „erhaltene Anzahlungen“ bislang zunächst als Verbindlichkeit passiviert, solange die Übergabe des Werkes und die Abnahme durch den Auftraggeber noch nicht erfolgt sind. Dieses Prinzip hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit einem Urteil vom 14.05.2014 (VIII R 25/11) nun auf den Kopf gestellt.

Der BFH entschied 2014 entgegen der bisherigen Rechtsprechung, dass Gewinne aus erhaltenen Anzahlungen bzw. gestellten Abschlagsrechnungen für einzelne Leistungsphasen der HOAI (hier: § 8 Abs. 2 HOAI, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch auf Abschlagszahlung vorliegt, zur sofortigen Gewinnrealisierung führen. Dies ist der Fall, wenn der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine nachprüfbare Rechnung - wie die Schlussrechnung - vorgelegt hat. Hierbei ist unbedeutend, ob und wann die Planungsleistung abgenommen und die Honorarschlussrechnung gestellt worden sind.

Diese grundlegende Änderung der handelsrechtlichen Grundsätze zur Gewinnrealisierung für Abschlagszahlungen bei Werkverträgen wird vom IDW (Institut für Wirtschaftsprüfer) nicht geteilt. Im Schreiben vom 08.04.2015 wird ausgeführt, dass nach dem geltenden Realisationsprinzip Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Werden Leistungen aufgrund eines Werkvertrags erbracht, gilt der Gewinn grundsätzlich zu dem Zeitpunkt als realisiert, an dem das Werk an den Auftraggeber geliefert und von diesem abgenommen wurde. Eine Abschlagszahlung hat lediglich den Charakter einer Anzahlung auf die Hauptforderung für das Gesamtwerk und ist somit vorläufig, da der Gefahrenübergang auf den Auftraggeber erst mit (Teil-)Abnahme erfolgt; die erhaltenen Anzahlungen stellen dadurch Verbindlichkeiten dar. Sollte das Werk noch vorher untergehen, ist der Auftragnehmer zur Wiederherstellung bzw. zur Rückzahlung der Abschläge verpflichtet. Da die Finanzverwaltung beabsichtigt, der Auffassung des BFH zu folgen, wird vom IDW eine Übergangsregelung zur Minderung der Liquiditätsbelastung durch die hohe Steuerzahllast gefordert.

Das Bundesministerium für Finanzen teilt laut der BMF-Schreiben vom 13.05.2015 und 29.06.2015 die Auffassung des BFH. Sie hat die Änderung der Rechtsprechung auch auf Anzahlungen nach § 632a BGB und § 15 Abs. 2 HOAI neue Fassung ausgedehnt. Abschlagszahlungen sind daher nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren, sondern gewinnerhöhend in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu erfassen. Gemäß BMF-Schreiben sind diese Grundsätze erstmalig in dem Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 23.12.2014 beginnt. Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr ist dies für den Jahresabschluss zum 31.12.2015 der Fall. Um die Liquiditätsbelastung durch eine hohe Steuerzahllast abzumildern, ist vom BMF eine Übergangsregelung vorgesehen. Der Gewinn aus der Auflösung der bislang zu bilanzierenden erhaltenen Anzahlungen kann danach gleichmäßig zu je der Hälfte auf 2015 und 2016 oder zu je einem Drittel auf 2015, 2016 und 2017 verteilt werden.

Die weitere Entwicklung in dieser Sache, die einen grundlegenden Verstoß gegen das Realisationsprinzip darstellt, bleibt abzuwarten. Diskussionen mit der Finanzverwaltung sind zu erwarten. Rechtssicherheit besteht nicht, sodass sich bis zu einer abschließenden Klärung Streitigkeiten wohl nicht vermeiden werden lassen.