Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige werden besonders für einfache Fälle erhöht.

Durch die in Sachen Steuerhinterziehung bekannt gewordenen Fälle von prominenten Personen (Uli Hoeneß, Alice Schwarzer u.a.) ist das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Allgemein herrscht die Ansicht vor, dass durch die strafbefreiende Selbstanzeige eine besondere Privilegierung von vermögenden Personen erreicht werde, die dadurch „entkriminalisiert“ würden. In diesem Zusammenhang wird derzeit verstärkt diskutiert, die Selbstanzeige durch die Errichtung weiterer Hürden auf dem Weg zur Erlangung der Strafbefreiung einzuschränken. Vereinzelt wird sogar die Abschaffung gefordert.

Die Finanzminister der Länder haben sich nunmehr darauf verständigt, dass eine Verschärfung der Regelung der strafbefreienden Selbstanzeige erfolgen soll. Die neuen Hürden auf dem Weg zur Strafbefreiung sollen möglichst zum 01. Januar 2015 in Kraft treten, so Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid am 27. März 2014.

Grundsätzliche Funktionsweise einer strafbefreienden Selbstanzeige

Nach dem Gesetz (§ 371 AO) muss eine Selbstanzeige rechtzeitig und vollständig abgegeben werden. Die hinterzogenen Steuern müssen ferner plus sechs Prozent Zinsen innerhalb einer angemessenen Frist nachgezahlt werden.

Seit dem Jahr 2011 ist die Möglichkeit einer Selbstanzeige summenmäßig jedoch begrenzt. Es besteht danach nur die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige, soweit 50.000 Euro an hinterzogenen Steuern pro Steuerjahr nicht überschritten werden. Für alle Beträge darüber hinaus kommt aber eine Einstellung des Verfahrens in Betracht (ein Absehen von Strafe nach § 398 AO), wenn die Steuern nachgezahlt und zusätzlich fünf Prozent der hinterzogenen Steuern an die Staatskasse entrichtet werden. Also auch bei Beträgen über 50.000 Euro kommt es dann nicht zur Anklage. Es müssen dann jedoch höhere Beträge gezahlt werden.

Die Selbstanzeige muss „vollständig“ erfolgen. „Vollständig“ bedeutet, dass alle Guthaben und Konten bekannt gegeben und alle relevanten Zeiträume benannt werden müssen. Ein „Teilgeständnis“ ist schädlich.

Maßgebend und sehr wichtig für eine strafbefreiende Selbstanzeige ist ferner die „Rechtzeitigkeit“ der Anzeige, d. h., die betreffende Tat darf noch nicht entdeckt oder gar verfolgt sein. Der maßgebende § 371 Abs. 2 AO  regelt hierzu:

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn
1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder
b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder
3. die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000 Euro je Tat übersteigt.

Demnach ist eine Selbstanzeige dann nicht rechtzeitig, wenn dem Betroffenen eine „Prüfungsanordnung“ der Finanzbehörden oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurde. Die Selbstanzeige ist demnach ferner nicht mehr rechtzeitig, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Betroffene dies wusste oder damit rechnen musste. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll ein Datenankauf durch Behörden oder die Berichterstattung darüber eine Selbstanzeige aber noch nicht ausschließen.

Nach Ansicht des BGH kann hinsichtlich der Tatentdeckung kein absoluter Stichtag benannt werden, sondern es müssen die jeweiligen Umstände des Einzelfalls betrachtet werden. Für die Praxis maßgebend sind insbesondere die subjektiven Merkmale, d. h., der Betroffene durfte von der Tatentdeckung nichts wissen oder nicht damit rechnen. Mit der Entdeckung „rechnen müssen“ heißt, dass der Täter aus den ihm nachweislich bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen, dass die Behörde von seiner Tat der Steuerhinterziehung erfahren hatte.

Erschwerte Bedingungen für die strafbefreiende Selbstanzeige

Es wurde nun schlagwortartig berichtet, die Finanzminister der Länder hätten sich darauf verständigt, dass für eine wirksame Selbstanzeige künftig über mindestens zehn Jahre statt wie bisher über fünf Jahre vollständige Angaben offen gelegt werden müssen. Zudem solle der künftig 5 % höhere Aufschlag auch schon bei Nachzahlungen von weniger als 50.000 Euro fällig werden.

Was steht hinter diesen Schlagworten?

Die Erlangung der Straffreiheit durch eine Selbstanzeige soll voraussichtlich nun davon abhängig gemacht werden, dass der Steuerhinterzieher vollständige Angaben zu dem für die Nachversteuerung relevanten Zeitraum macht, in dem er die Steuern hinterzogen hat, d. h. für 10 Jahre.

Bislang ist die Wirksamkeit einer Selbstanzeige nur an vollständige Angaben zu den strafrechtlich nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart geknüpft (grundsätzlich 5 Jahre). Die Folge dieser bestehenden Situation war bisher das Auseinanderfallen von steuerrechtlichen und strafrechtlichen Verjährungsregelungen. Das heißt, dass auch derjenige Hinterzieher durch eine Selbstanzeige bislang straffrei ausging, der die Vergangenheit nicht vollständig bereinigt hatte.

Künftig wird es wohl auch Voraussetzung für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige sein, dass die sofortige Nachzahlung für den steuerrechtlich nicht verjährten 10-Jahreszeitraum erfolgt. Bislang müssen nur die in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang mit der Selbstanzeige stehenden Steuern für 5 Jahre nachentrichtet werden. Die steuerliche Festsetzungsfrist beträgt bei Steuerhinterziehung grundsätzlich 10 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).

Strafrechtlich sind im Falle der einfachen Steuerhinterziehung zur Erlangung der Straffreiheit nach § 361 AO bislang lediglich 5 Jahre zu erklären, da die Strafverfolgungsverjährung insofern 5 Jahre beträgt (§ 78 StGB). Aufgrund der Diskrepanz zwischen den steuerrechtlichen und den strafrechtlichen Verjährungsregelungen bei der einfachen Steuerhinterziehung müssen die Finanzbehörden allein zu Zwecken der Besteuerung die nicht für die Erlangung einer Straffreiheit erforderlichen, nacherklärten Steueransprüche ggf. rückwirkend für die bereits strafrechtlich verjährten Zeiträume schätzen. Das hat für die Finanzverwaltung die ungünstige Folge, dass sie die Beweislast trägt. Steuerrechtlich müssen aber wegen Steuerhinterziehung 10 Jahre festgesetzt werden. Eine Angleichung der strafrechtlichen an die steuerrechtlichen Verjährungsfristen wird dann diese Diskrepanz auflösen.

Die Wirkung der Selbstanzeige wird dann nicht, wie heute, von den vollständigen Angaben zu allen (strafrechtlich unverjährten) Steuerstraftaten einer Steuerart (5 Jahre) abhängig gemacht, sondern von den vollständigen Angaben zu den steuerrechtlich nicht verjährten Zeiträumen, in denen Steuerstraftaten begangen wurden (10 Jahre).

Auch wenn bei einfacher Steuerhinterziehung eine Strafverfolgung nur für die vergangenen 5 Jahre möglich ist, so ist steuerrechtlich dann bei Steuerhinterziehung eine Festsetzung für die vergangenen 10 Jahre erforderlich. Der Steuerflüchtige muss, um Straffreiheit für die letzten 5 Jahre zu erlangen, selbst für die nicht mehr strafbaren weiter zurückliegenden 5 Jahre alle Angaben berichtigen, ergänzen oder nachholen.

Neue Hürden bei der einfachen Steuerhinterziehung

Durch die geplante Änderung würde eine wesentliche Verschärfung für den Bereich der einfachen Steuerhinterziehung eintreten, da der Unterschied der strafrechtlichen Verjährung von 5 Jahren und der steuerlichen Festsetzungsverjährung von 10 Jahren sehr beachtlich ist. Sobald jedoch ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt, insbesondere, wenn Steuern von mehr als 50.000 Euro hinterzogen wurden, beträgt auch die strafrechtliche Verjährung 10 Jahre. Die Folge der voraussichtlichen Neuregelung wird daher sein, dass für die weniger kriminellen Fälle der Steuerhinterziehung damit die Hürden erhöht werden.

Zusätzlicher Hinterziehungszins

Es wird ferner vorgeschlagen, dass bei Erlangung von Straffreiheit durch eine Selbstanzeige zusätzlich zu der sofortigen Entrichtung des hinterzogenen Steuerbetrages ein Hinterziehungszins i.H.v. 6 % p.a. gezahlt werden soll.

Die Selbstanzeige ist bei schweren Fällen der Steuerhinterziehung ausgeschlossen. Ein schwerer Fall liegt vor, wenn die Steuerhinterziehung in größerem Ausmaß, d. h. mit einem Hinterziehungsvolumen von mehr als 50.000 Euro erfolgte. In diesen Fällen kommt ein Absehen von Strafe nur in Betracht, wenn der Täter zusätzlich eine Nachzahlung in Höhe von 5 % der hinterzogenen Steuer entrichtet. Das heißt, eine „Strafe“ wird in diesem Fall in jedem Fall verhängt (5 % der hinterzogenen Steuer). Eine Straffreiheit im weiteren Sinne (ein Absehen von Strafe nach § 398 AO) ist daher nur dann möglich, wenn neben dem Hinterziehungsbetrag auch noch eine zusätzliche Strafzahlung i.H.v. 5 % der hinterzogenen Steuer erfolgt. Das Absehen von Strafe bei Beträgen von unter 50.000 Euro soll dann grundsätzlich nur bei gleichzeitiger Zahlung eines Zuschlages von 5 % möglich sein.

Kann eine verunglückte Selbstanzeige noch gerettet werden?

Viel diskutiert wird noch die Frage, ob eine verunglückte Selbstanzeige oder Erstanzeige durch eine korrigierte zweite Selbstanzeige noch zu retten ist. Von praktischer Relevanz sind insbesondere die Fälle der „nichtabsichtlichen Teilberichtigung“. Die Schwierigkeit einer umfassenden rückwirkenden Korrektur würde durch eine etwaige Ausdehnung des Berichtigungszeitraums erschwert. Eine nicht absichtliche Teilselbstanzeige liegt vor, wenn der Steuerpflichtige eine Selbstanzeige im guten Glauben auf deren Vollständigkeit abgibt, die korrigierten Angaben tatsächlich aber unvollständig sind. Die Teilselbstanzeige wird also nicht bewusst als Teil einer Hinterziehungsstrategie eingesetzt. Vielmehr handelt es sich um eine verunglückte Selbstanzeige.

Beispiel: A hat ein Depot im Ausland, aus dem er im Jahr 2010 Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. 100.000 Euro erzielt (90.000 Euro aus Zinsen und 10.000 Euro aus Dividenden). A erklärt keine Einkünfte aus dem Depot. Im Rahmen einer Selbstanzeige erklärt A dann nur die Zinsen, während er die Dividenden versehentlich nicht nacherklärt.

Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung wird man davon ausgehen, dass der BGH zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige gelangen würde. Der bloße Wille zur Rückkehr der Steuerehrlichkeit soll nicht zur Straffreiheit führen, wenn die Angaben in der Selbstanzeige selbst bei geringfügigen Abweichungen unrichtig sind.

Jedoch sollte vom Sinn und Zweck der Selbstanzeige und der nicht beabsichtigten Falschangabe oder nicht vollständigen Angabe dem Steuerpflichtigen die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit nicht versperrt werden. Insbesondere sollten die Vorschriften keinen zu großen Abschreckungscharakter entfalten, da das Instrument der Selbstanzeige ansonsten leerlaufen würde. Im Rahmen der Selbstanzeige sollten keine strengeren Maßstäbe angelegt werden als im Steuerermittlungsverfahren, bei dem es genügt, dass der Steuerpflichtige sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, seine Erklärung richtig und rechtzeitig abzugeben.    

Fazit

Der Hürdenlauf zur strafbefreienden Wirkung einer Selbstanzeige wird schwieriger werden. Die genaue Ausgestaltung des neuen Reglements steht noch nicht fest und bleibt daher abzuwarten. Wir werden weiter berichten. Gerade für Fälle von geringer Steuerhinterziehung sollte aber ernsthaft geprüft werden, ggf. eine Selbstanzeige noch unter den jetzigen Bedingungen abzugeben.

bdp berät Sie gern zu diesem Thema.