Welche Kennzahlen bei der Bewertung von Aktien relevant sind, erläutert bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann.

Bei der Bewertung von Aktien sind sicherlich das Kurs-Gewinn-Verhältnis und die Dividendenrendite am beliebtesten und verbreitetsten. Weitere Kennzahlen können die Analyse aber spürbar verbessern. Welche das sind, weiß bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann.

Steigende Zinsen und Rezessionssorgen: Es gibt eine Reihe von Kennzahlen, die bei der Bewertung von Aktien zusätzliche Erkenntnisse liefern und nicht schwierig zu ermitteln sind. Diese sollten Anleger nutzen:

Eigenkapitalquote

Die Inflation ist rekordhoch und damit steigen auch die Zinsen. Denn diese sind ja nichts anderes als der Preis für das Leihen von Geld. Das bekommen natürlich auch die Unternehmen zu spüren. Je mehr Schulden sie haben, desto größer fällt die Zinsbelastung aus. Im derzeitigen Umfeld ist es daher sinnvoll, nicht zu viel Fremdkapital in der Bilanz stehen zu haben. Umgekehrt bedeutet dies, dass es von Vorteil ist, wenn die Eigenkapitalquote hoch ist. Diese errechnet sich, in dem das Eigenkapital durch die Bilanzsumme geteilt wird. Beides finden Anleger in der Bilanz von Unternehmen.

Ausschüttungsquote

Grundsätzlich ist gegen die Dividendenrendite nichts einzuwenden. Allerdings kann ein hoher Wert unter Umständen auch in die Irre führen. Als Quotient aus Dividende und Aktienkurs ergibt sich auch dann eine hohe Dividendenrendite, wenn der Aktienkurs stark gefallen ist. In diesen Fällen sollten Anleger noch vorsichtiger als sonst agieren.

Außerdem hängt die Dividendenrendite davon ab, wie viel vom erzielten Gewinn ein Unternehmen als Dividende an die Aktionäre ausschüttet. In Europa gilt eine Ausschüttungsquote von 30 bis circa 50 Prozent als angebracht. Vor allem Telekommunikationstitel neigen dazu, deutlich höhere Quoten auszuschütten. Das bedeutet allerdings häufig, dass dem Management Ideen fehlen, wie es das vorhandene Kapital sinnvoll investieren könnte.

Bedenklich wird es dann, wenn die Dividende höher als der Gewinn je Aktie ist, die Ausschüttungsquote also die Marke von 100 Prozent übersteigt. Vor allem in den USA kommt genau das immer wieder vor. In den entsprechenden Fällen zahlen die Unternehmen einen Teil der Dividende aus der Substanz, also gewissermaßen aus den Ersparnissen. Oder, schlimmer noch, sie verschulden sich dafür. So etwas kommt häufiger bei Übernahmen durch Finanzinvestoren vor. Diese drängen ab und an das akquirierte Unternehmen, eine möglichst hohe Dividende auszuschütten, damit sie damit den Kaufpreis finanzieren können.

Free Cashflow

Bei den freien Barmittelzuflüssen handelt es sich um die Mittel, die weder für das operative Geschäft noch für die Investitionen gebraucht werden. Der Free Cashflow gibt somit an, wie viel Geld für die Tilgung von Schulden oder die Zahlung von Dividenden zur Verfügung steht. Die Kennzahl spiegelt somit die Finanzkraft eines Unternehmens wider. Auch wenn die Dividende gerne zum Gewinn je Aktie ins Verhältnis gesetzt wird, gezahlt wird sie aus den freien Barmittelzuflüssen. Der Free Cashflow ist der Cashflow-Rechnung der Unternehmen zu entnehmen.

Book-to-Bill-Ratio

Immer mehr Volkswirte gehen davon aus, dass Europa auf eine Rezession zusteuert, dass die Wirtschaft also in den kommenden Quartalen schrumpft. Das heißt natürlich nicht, dass es bei jedem Unternehmen zu Umsatzrückgängen kommt. Ob eine Firma künftig wächst oder schrumpft, lässt sich vergleichsweise zuverlässig an der Book-to-Bill-Ratio erkennen. Sie setzt den Auftragseingang (Book) einer bestimmten Periode, also eines Quartals, Halbjahrs oder Geschäftsjahrs, zum in derselben Zeit erzielten Umsatz (Bill) ins Verhältnis.

Wenn die Auftragseingänge den Umsatz übersteigen, ist die Book-to-Bill-Ratio größer als eins. Ein Wert von beispielsweise 1,1 bedeutet, dass ein Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum zehn Prozent mehr neue Bestellungen erhalten als Umsatz erzielt hat. Eine Book-to-Bill-Ratio größer als eins signalisiert also Wachstum, ein Wert von weniger als eins deutet auf einen Rückgang des Geschäfts hin.

Kurs-Buchwert-Verhältnis

Anleger, die auf die Substanz einer Aktiengesellschaft setzen, nutzen gerne das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Dieses errechnet sich aus dem Verhältnis des Kurses einer Aktie und dem entsprechenden Eigenkapital (Buchwert) pro Aktie. Ein Wert unter eins bedeutet, dass die entsprechende Aktie niedriger notiert als das auf sie entfallende Eigenkapital.

Die Aktie wird also unter dem auf sie entfallenden Vermögenswert gehandelt. Am einfachsten lässt sich das KBV errechnen, indem man die Marktkapitalisierung durch das Eigenkapital teilt. Je niedriger der Wert ausfällt, desto günstiger ist eine Aktie bewertet.

Das KBV weist allerdings eine Schwäche auf. Sie berücksichtigt nur das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital. Stille Reserven oder Lasten bleiben außen vor.

Netto-Inventar-Wert

Diese Kennzahl ist vor allem bei Immobiliengesellschaften weit verbreitet, die sie regelmäßig auch mit den Quartalsergebnissen bekannt geben. Der Netto-Inventar-Wert (Net Asset Value, NAV) ergibt sich aus dem Wert der gehaltenen Immobilien abzüglich der Schulden. Übersteigt der NAV pro Aktie den Aktienkurs, gilt die Bewertung als günstig. Liegt er darunter, weist dies auf eine eher hohe Bewertung hin.

Barmittelbestand zu Markkapitalisierung

Vor allem im Biotechnologie-Bereich gibt es derzeit eine große Zahl von Unternehmen, die an der Börse weniger wert sind als ihre Cash-Reserven. Vereinfacht ausgedrückt können Anleger solche Unternehmen für weniger Geld kaufen, als diese auf dem Bankkonto liegen haben. Die meisten dieser Unternehmen machen aber noch Verlust, verbrennen also einen Teil ihrer Barmittel.

Fazit

Das KGV und die Dividendenrendite sind einfach zu berechnen und aussagekräftig. Trotzdem sollten Anleger weitere Kennzahlen hinzuziehen, um bei der Bewertung ein schärferes Bild zu bekommen.