BGH konkretisiert abermals die strenge Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife

Der BGH hat mit einer Entscheidung vom 19. Juni 2012 (Az.: II ZR 243/11) erneut die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen der Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife bestätigt. § 64 GmbHG verbietet es Geschäftsführern, die Insolvenzmasse durch Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen nach Eintritt der Insolvenzreife zu schmälern. Daraus resultiert eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen der Gesellschaft nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind.

Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, bei dem das Vermögen einer GmbH durch Zahlungen des Geschäftsführers geschmälert wurde, und zwar trotz Vorliegen einer Überschuldungssituation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer berief sich darauf, dass er allein anhand der aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertungen nicht habe erkennen können, dass die GmbH bereits überschuldet sei, sodass es an seinem Verschulden fehle.

Gesetz unterstellt Erkennbarkeit der Insolvenzreife

Das Verschulden des Geschäftsführers wird jedoch gesetzlich vermutet und geht zu dessen Lasten, wenn bereits bei bloßer Erkennbarkeit der Insolvenzreife Zahlungen geleistet werden. Auch die Insolvenzreife selbst wird als für die Geschäftsführer erkennbar unterstellt. Bei den ersten Anzeichen einer Krise hat sich ein Geschäftsführer einen Überblick über den Vermögensstand der Gesellschaft zu verschaffen.

Insbesondere ist er selbst für die Organisation verantwortlich, die ihm einen solchen Überblick ermöglicht. Er muss die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit korrekt einschätzen können. Verfügt er diesbezüglich nicht selbst über ausreichende Kenntnisse, muss er sich fachkundig beraten lassen.

Geschäftsführer muss Insolvenzreife immer korrekt erkennen können

Um die Vermutung eines schuldhaften Verhaltens zu widerlegen, hat der Geschäftsführer Gründe vorzutragen und zu erläutern, warum er eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife nicht habe erkennen können.

Im vorliegenden Fall ist der BGH nicht der Argumentation gefolgt, dass eine Überschuldung anhand der betriebswirtschaftlichen Auswertung nicht erkennbar gewesen sei, denn im vorliegenden Fall sei die GmbH schon zum Ende des vorangegangenen Geschäftsjahres überschuldet gewesen, sodass eine tatsächliche Vermutung dafür spreche, dass die GmbH auch in der Folgezeit überschuldet gewesen sei. Zudem komme ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft in Betracht, die auch schon bei der Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit angenommen werden könnte, wenn diese eine Verbindlichkeit von beträchtlicher Höhe gewesen sei.

Unwissen schützt nicht vor Haftung

Die strenge Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife ist mit diesem Urteil ein weiteres Mal konkretisiert worden. Der BGH bestätigt, dass die gesetzliche Vermutung des Verschuldens eines Geschäftsführers regelmäßig nur schwer zu erschüttern ist und somit eine persönliche Haftung bei Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft regelmäßig vorliegen wird.

Der Geschäftsführer muss sich laufend durch entsprechende Maßnahmen über die finanzielle und wirtschaftliche Situation der Gesellschaft informiert halten. Dies kann insbesondere für Geschäftsführer in kleineren oder mittleren Unternehmen mit einem hohen Arbeits- und Organisationsaufwand verbunden sein. Dennoch gilt es, die bestehenden Haftungsrisiken deutlich zu minimieren.

Nicht möglich ist es, sich durch „Nichtwissen“ zu exkulpieren, da die Rechtsprechung in diesem Fall vorschreibt, dass der Geschäftsführer sich durch unabhängige, fachlich qualifizierte Berater entsprechend informieren muss. Eine Exkulpation auf dieser Basis wird dem Geschäftsführer nur dann gelingen, wenn er seine Handlung auf die Empfehlung eines solchen qualifizierten Beraters stützt, diesem Berater sämtliche Informationen zeitnah zur Verfügung gestellt hat und die Beratung hinterfragt und selbst mindestens plausibilisiert hat. Zudem muss er nach Auffassung des BGH ebenfalls auf eine unverzügliche Vorlage der Prüfungsergebnisse hinwirken, und dies sollte nach Möglichkeit auch schriftlich dokumentiert werden.