Für die Bilanz 2010 muss das BilMoG voll angewandt werden. Das ist die bilanzpolitische Weichenstellung für die kommenden Jahre

Nachdem das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) bereits letztes Jahr in Kraft getreten ist, wird es jetzt wirklich ernst: Für das Geschäftsjahr 2010 müssen nun alle Vorschriften des BilMoG angewendet werden. Somit stellt sich die Frage, welche strategischen Optionen das BilMoG für die Bilanzpolitik eröffnet.

Bisher war das Bilanzrecht in Deutschland stark vom Steuerrecht beeinflusst. Es galt bislang das Maßgeblichkeitsprinzip, durch das die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung des Handelsgesetzbuchs auch für die Aufstellung der Steuerbilanz galten. Es galt ferner die umgekehrte Maßgeblichkeit, die bedeutete, dass man Steuerabzüge nur durchsetzen konnte, wenn auch in der Handelsbilanz entsprechend bilanziert wurde. Und es gab schließlich eine Fülle von steuerpolitisch motivierten Abschreibungen und Sonderposten, die man nur geltend machen konnte, wenn man diese auch in der Handelsbilanz berücksichtigte.

In den letzten Jahren hat sich das Steuerrecht bereits schrittweise vom Handelsrecht entfernt. Dies geschah beispielsweise durch BFH-Urteile, die bestimmte Rückstellungen nicht anerkannten, oder durch Steuergesetze, die manche Bemessungsgrundlage höher schraubten. So konnten Drohverlustrückstellungen in der Steuerbilanz nicht mehr berücksichtigt werden, Abschreibungen auf Umlaufvermögen und Rückstellungen für Jubiläen und Altersteilzeit wurden erschwert.

Durch das BilMoG wird nun jedoch die Einheitsbilanz vollständig aufgehoben. Nur die materielle Maßgeblichkeit bleibt vom Grundsatz her bestehen - wobei häufig aufgrund steuerrechtlicher Wahlrechte davon abgewichen wird.

Durch die neu geschaffenen Wahlmöglichkeiten ergeben sich für die Handelsbilanz jeweils fünf sehr unterschiedliche Strategien (vgl. Abbildung unten). In der Steuerbilanz kann durch abweichende Wahlrechtsausübung das Ergebnis nach oben oder unten beeinflusst werden. Die Bilanzstrategien  können quantitativ auf das Unternehmensergebnis abstellen und ein möglichst hohes (Strategie 1: progressiv) oder geringes (Strategie 2: konservativ) Ergebnis anstreben. Sie können sich aber auch qualitativ an den Rechtsgrundlagen orientieren und entweder eine Annäherung der Handelsbilanz an die steuerlichen Regelungen (Strategie 3: Einheitsbilanz) oder möglichst geringe Abweichungen zum bisherigen Recht (Strategie 4: HGB a.F.) anstreben oder sich schließlich an internationalen Gepflogenheiten orientieren (Strategie 5: IFRS).

Viel hängt nun von der sogenannten BilMoG-Eröffnungsbilanz ab. Das ist eine Bilanz zum 01.01.2010 mit den Beständen vom 31.12.2009 bewertet nach den neuen Methoden. Sie hat den Zweck, die Umbewertungseffekte der neu angewendeten Bilanzierungsregeln vom laufenden Jahresergebnis getrennt ausweisen zu  können. Die Effekte werden als Gewinnrücklage oder als a. o. Ergebnis ausgewiesen.

Das BilMoG erzwingt eine Reihe von Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz. Wer also der alten Einheitsbilanz möglichst nahekommen will, muss die folgenden Fälle vermeiden:

  • Die Aktivierung von Entwicklungskosten ist nur in der Handelsbilanz möglich.
  • Die Abschreibung des Firmenwerts wird nur noch in Ausnahmefällen über einheitliche Nutzungsdauer erfolgen.
  • Die Ausübung steuerlicher Abschreibungen ist in der Handelsbilanz nicht mehr zulässig.
  • Außerplanmäßige Abschreibungen beim Umlaufvermögen sind in der Handelsbilanz schon zwingend, wenn der Marktpreis unter den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten liegt, in der Steuerbilanz sind sie nur bei dauerhafter Wertminderung zulässig.
  • Die Wertaufholung ist zwingend in der Handelsbilanz, für die Steuerbilanz muss der niedrigere Wert jeweils nachgewiesen werden.
  • Fremdwährungen sind in der Handelsbilanz immer mit dem Devisen-Kassa-Kurs anzusetzen, in der Steuerbilanz höchstens bis zur Höhe der Anschaffungskosten.
  • Bei den Pensionsrückstellungen ergeben sich Differenzen über die unterschiedliche Bewertung sowie durch die Option zur Saldierung im Handelsrecht. Wer dies vermeiden will, sollte ggf. die Pensionsrückstellungen aus dem Unternehmen ausgliedern.
  • Drohverlustrückstellungen sind für die Steuerbilanz nicht zulässig.
  • Jubiläumsrückstellungen sind für die Steuerbilanz nur unter strengen Bedingungen möglich.
  • Rückstellungsbewertungen werden in der Handelsbilanz durch die Berücksichtigung von Preissteigerungen erhöht, in der Steuerbilanz durch die Abzinsung verringert.
  • Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr müssen in der Steuerbilanz mit 5,5 % abgezinst werden, in der Handelsbilanz aber nicht.
  • Durch die möglichen Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz ergeben sich latente Steuern. Für einen Überhang aktiver latenter Steuern gibt es in der Handelsbilanz ein Bilanzierungswahlrecht, d. h. es kann ein gesonderter Posten „Aktive latente Steuern“ gebildet werden. Für passive latente Steuern besteht Bilanzierungspflicht.

Durch die unterschiedliche Ausübung von Wahlrechten in der Handels- und Steuerbilanz ergeben sich eine Reihe möglicher Abweichungen. Wer also wenig Aufwand mit der Bilanzierung haben möchte, sollte diese Wahlrechte nicht unterschiedlich ausüben.

  • Beim Ansatz und der Bewertung von geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) sind in der  Steuerbilanz sowohl die Sofortabschreibung als auch die Poolabschreibung des Sammelpostens möglich. In der Handelsbilanz macht eine Sofortabschreibung nicht immer Sinn. Hier sind Sammelposten möglich ggf. aber mit einer verkürzten Nutzungsdauer.
  • Die Neuregelungen zur Bewertung der Herstellungskosten ermöglichen nun unterschiedliche Wertansätze in  Handels- und Steuerbilanz.
  • Ob Investitionszuschüsse als Ertrag ausgewiesen oder von den Anschaffungskosten der aktivierten Gegenstände des Anlagevermögens abgezogen werden, kann in Handelsbilanz und Steuerbilanz unterschiedlich gehandhabt werden werden.
  • Auch die Methode der planmäßigen Abschreibung kann unterschiedlich ausgeübt werden: Im Steuerrecht gibt es die Pflicht zur Nutzungsdauer nach Tabelle. Im Handelsrecht kann man auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abstellen.
  • Das Bewertungsvereinfachungsverfahren für das Vorratsvermögen kann unterschiedlich ausgeübt werden: In der Steuerbilanz ist der gewogene Durchschnitt und das LIFO-Verfahren (last in, first out) möglich. In der Handelsbilanz steht zusätzlich noch das FIFO-Verfahren (first in, first out) zur Wahl.

Wenn die Bilanzpolitik für Steuer- und Handelsbilanz unterschiedlich ausfallen soll, müssen Konsequenzen berücksichtigt werden. Unter folgenden Umständen gilt ein Ausschüttungsverbot:

  • bei Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände (Entwicklungskosten)
  • bei Ansatz aktiver latenter Steuern
  • bei Aktivierung höherer Zeitwerte des Planvermögens für Altersvorsorgeverpflichtungen

Mit den Anhangsangaben nähern wir uns langsam aber sicher der Zahl der international üblichen Notes. Der Anhang wird nach dem neuen Recht also sehr viel umfangreicher. Zum Beispiel wird der Anhang um folgende Angabepflichten erweitert:

  • Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten bei Aktivierung der Entwicklungskosten
  • Höhe der Ausschüttungssperre
  • Gründe für die Abschreibung des Firmenwertes über mehr als fünf Jahre
  • gebildete Bewertungseinheiten

Als Fazit können wir festhalten: Mit der Bilanz zum 31.12.2010 werden die Weichen für die nächsten Jahre neu gestellt, für die dann das Prinzip der Stetigkeit gilt. Dazu muss die Strategie für Handels- und Steuerbilanz festgelegt werden. bdp hat eine BilMoG-Checkliste erarbeitet (vgl. bdp aktuell 64), mit deren Hilfe wir gemeinsam die bilanzpolitische Strategie erarbeiten können. Wir beraten Sie dazu gerne.

Größenklassen nach BilMoG in TEUR

 

Umsatzerlöse

Bilanzsumme

Arbeitnehmer

Gewinn

Einzelkaufleute:
Keine Fibu und Bilanz

≤ 500

≤ 50

Mittelgroße KapG:
Prüfungspflicht

> 9.680

> 4.840

> 50

Große KapG:
keine Erleichterungen

> 38.500

> 19.250

> 250

Konzern (konsolidiert)

> 38.500

> 19.250

> 250