Überlegungen für und gegen eine Sanierung durch Insolvenz: Entscheidungsparameter und parallele Vorgehensweise

Mit dem ESUG sind Kurzanträge, die auf eine Seite passen, Vergangenheit. Für Krisenunternehmen bedeutet das, dass sie ihre Handlungsoptionen zeitig klären und gegebenenfalls parallel unterschiedliche Pläne verfolgen müssen. Dazu benötigen Sie Zeit, denn je früher der Ernst der Lage erkannt wird und angemessene Maßnahmen entwickelt werden, umso aussichtsreicher sind die Perspektiven. Die Entscheidungsparameter eines solchen Prozesses und die parallele Verfolgung alternativer Optionen sollen hier anhand eines konkreten Praxisbeispiels vorgestellt werden.

Es handelt sich um eine Spedition in Norddeutschland mit anfangs noch gut 70 Mitarbeitern und etwa 65 Lkws. Mittlerweile sind wir deutlich geschrumpft. Zu den Problemen der Spedition gehörten recht teure Finanzierungen des sehr neuen Fuhrparks. Da mussten Monatsraten für Lkws von teilweise 1.800 oder 1.900 Euro bezahlt werden. Eine vernünftige Richtgröße liegt bei 1.100 Euro. Die Konsequenz war, dass Fahrten fast um jeden Preis realisiert werden mussten. Insbesondere war es schwer, Frachten für die Rückfahrten nach Norddeutschland zu erhalten.

Fast allseitige Zustimmung zu Sanierungskonzept

bdp wurde zunächst nur als Berater engagiert. Nach einer Analyse der Situation haben wir ein Sanierungskonzept entwickelt, das im Kern eine drastische Reduzierung der Fahrzeuge und auch Mitarbeiter vorsah. Der verkleinerte Fuhrpark sollte rentabel eingesetzt werden, indem man sich auf Stammkunden und auskömmliche Aufträge konzentriert. Dieses Sanierungskonzept fanden fast alle Gläubiger stimmig und Erfolg versprechend. Wir haben teilweise sogar recht schnell Tilgungsstundungen und Forderungsverzichte aushandeln können. Aber ein Gläubiger spielte nicht mit. Allerdings wurde dies nicht sofort klar kommuniziert sondern weitere Informationen eingefordert und interner Abstimmungsbedarf angemeldet.

Selbst gesetzte Deadline

Wir haben uns daraufhin selbst eine Frist gesetzt, bis zu deren Ablauf wir die Zustimmung aller relevanten Gläubiger erreichen wollten. Parallel und noch in der Umsetzungs- und Verhandlungsphase begannen wir, die Insolvenz als Option vorzubereiten. Spätestens mit erfolglosem Erreichen der Deadline sollte der Plan B definitiv angegangen werden.

Wir hatten einen Status erreicht, in dem die Sanierung wirtschaftlich ohne Insolvenz möglich gewesen wäre. Wir hatten Maßnahmen entwickelt und mit der Umsetzung begonnen. In der Konsequenz schien eine Beseitigung der Antragspflicht möglich, auch weil wir Investoren gefunden hatten, die frisches Geld zur Verfügung stellen wollten und fast alle Gläubiger der Sanierung zugestimmt hatten. Als sich dann der widerstrebende Gläubiger bis zum Ende unserer Frist nicht positiv entschieden hatte, stellten wir die Weichen in Richtung Insolvenz mit Eigenverwaltung.

Eingehungsbetrug vermeiden

Da das betroffene Unternehmen in der Rechtsform des Einzelunternehmers geführt wird, war das Problem einer möglichen Insolvenzverschleppung nicht so gravierend. Wir haben dennoch auf Wochenbasis geplant, um die benötigte Liquidität bis zum Antrag, aber vor allem auch nach dem Antrag sicherzustellen. Eine Spedition muss ständig Treibstoff bezahlen können und darf keine Mautschulden haben, weil sonst auch die Fahrzeuge stillgelegt werden.

Worst-Case-Planung

Für die Zeit nach Antragstellung nahmen wir den Worst Case an, nämlich eine Reduzierung der Zahlungsziele aller Lieferanten auf null Tage und den umfassenden Zwang zur Vorkasse. Strafrechtlich relevant war es insbesondere, den Vorwurf des Eingehungsbetrugs zu vermeiden. Deshalb mussten wir uns bei Bestellungen und Auftragsannahmen so verhalten, dass daraus nach Antragstellung nicht offene Forderungen resultieren, von denen wir zum Zeitpunkt, als wir unsere Zahlungsverpflichtungen eingegangen waren, bereits wissen mussten. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, freiwillig und teilweise unter Vorwänden Vorkasse anzubieten.

Die exakte Planung der Zeit nach Antragstellung ist überlebensnotwendig, will man das Verfahren ohne Unterbrechung des Geschäftsbetriebs durchstehen. In unserem Fall ergaben unsere Planungsrechnungen unter Worst-Case-Annahmen leider eine Zahlungsunfähigkeit für Woche drei nach Antragstellung. Was tun?

Kommunikationskonzept

Da es ohnehin nicht besonders klug ist, wichtige Lieferanten mit einem Insolvenzantrag zu überraschen und es vielmehr unbedingt notwendig ist, ihnen gegenüber eine klare und offene Kommunikation zu pflegen, haben wir die wichtigsten Lieferanten über unser Vorhaben informiert. Als wir dort unser Konzept präsentierten, gelang es uns auch, für die Zeit nach Antragstellung Zahlungsziele zu vereinbaren. Damit war unser Plan realistisch, und wir haben ihn auch realisiert. Dazu gehörte auch, eine gewisse Kriegskasse anzulegen, damit nach Antragstellung eine liquide Masse verfügbar war.

Zum Kommunikationskonzept gehörte auch, die Mitarbeiter zu informieren und zu motivieren, was auch gelang.

Wir haben dann nach Plan B und ohne Rückstände bei Lohn, Sozialversicherungen und Steuern Insolvenz mit Eigenverwaltung beantragt. Gegenwärtig haben wir Generalvollmacht im Unternehmen, es ist uns gelungen, den gewünschten Sachwalter zu bekommen, und wir sind nun dabei, den Sanierungsplan in Eigenverwaltung Zug um Zug umzusetzen.

Fazit

Das ESUG bietet mit der Eigenverwaltung nunmehr ein Instrumentarium an, um schnell, effizient und wirkungsvoll eine Sanierung mittels Insolvenzverfahren durchzuführen, wobei noch nicht mal eine Veröffentlichung unter den amtlichen Insolvenzbekanntmachungen erfolgt. Die Chancen auf eine erfolgreiche Sanierung sind aber nur dann gegeben, wenn die Option zur Insolvenz rechtzeitig vorbereitet und die Insolvenzphase gut geplant wird. Bei hingegen in letzter Sekunde gestellten Anträgen, wird es fast nur noch eine Abwicklung des Unternehmens geben.

Dr. Michael Bormann ist Steuerberater und seit 1992 bdp-Gründungspartner. Er fungiert als Generalbevollmächtigter des antragstellenden Unternehmens.