Schwarz-Gelb stritt sich lange, ob die Steuern gesenkt werden sollen. Ab 2013 kommt nun eine kleine Entlastung

Am 20. Oktober war die Überraschung groß, als Wirtschaftsminister Rösler gemeinsam mit Finanzminister Schäuble ankündigte, die Koalition habe sich auf eine Steuersenkung im Umfang von etwa 7 Milliarden Euro geeinigt. Ab 2013 solle der Steuertarif geändert, und damit die sogenannte kalte Progression abgemildert werden. Doch noch während die beiden Bundesminister in Berlin vor der Presse saßen, kam der Querschuss aus München: Bayerns Ministerpräsident Seehofer erklärte, dass es mit der CSU keine Einigung gebe und dass er keinem Steuerplan zustimmen werde, der nur dann umgesetzt werden kann, wenn die Opposition im Bundesrat zustimme. Stattdessen wurde aus Bayern die Senkung des Solidaritätszuschlags in die Diskussion gebracht. Den könne der Bund alleine senken.

Bei der kalten Progression geht es um Folgendes: Bekommt zum Beispiel ein Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung, die der Inflation entspricht, bleibt ihm unter dem Strich möglicherweise weniger als zuvor. Denn durch die Lohnerhöhung steigt der Grenzsteuersatz, der zusätzliche Lohn wird also höher besteuert als das bisherige Einkommen. Die kalte Progression ist also eine überproportionale Steuererhöhung. Da der Steuertarif erst ab einem Jahreseinkommen von 52.882 Euro nicht weiter steigt, werden alle Einkommen bis zu dieser Grenze durch die kalte Progression belastet. Es trifft also vor allem die unteren und mittleren Einkommen.

Angenommen ein Arbeitnehmer verdient 40.000 Euro im Jahr. Wenn er eine Lohnerhöhung von 3 Prozent erhält, steigt sein Einkommen um 1.200 Euro auf 41.200 Euro. Wenn die Inflation ebenfalls 3 Prozent beträgt, kann er sich für die 41.200 Euro genauso viel kaufen wie ein Jahr zuvor für 40.000 Euro. Durch die kalte Progression steigt aber die Einkommenssteuer von 6.836 Euro (bei 40.000 Euro Einkommen) überproportional auf 7.181 Euro (bei 41.200 Euro Einkommen). Bei gleich gebliebener Kaufkraft des Bruttoeinkommens steigt die steuerliche Belastung also um 345 Euro, d. h., um mehr als 5 Prozent von 6.836 auf 7.181 Euro. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer netto und inflationsbereinigt weniger in der Tasche hat als vor der Lohnerhöhung.

Einer Reform der Einkommensteuer müssten die Bundesländer zustimmen. Dort regt sich aber massiver Widerstand. Die Alternative wäre eine Senkung des Solis, der zu 100 Prozent an den Bund geht. Daher bedürfen Änderungen nicht der Zustimmung des Bundesrates, also der Länder. Da der Solidaritätszuschlag 5,5 Prozent der Einkommen-, der Kapitalertrag- und der Körperschaftsteuer beträgt, würden bei einer Absenkung in hohem Maße nicht nur Geringverdiener entlastet. Finanzminister Schäuble hat sich bereits eindeutig gegen eine Senkung des Solidaritätszuschlags ausgesprochen. Auch aus den ostdeutschen Ländern und von ostdeutschen Bundestagsabgeordneten kommt massiver Widerspruch gegen eine Solisenkung. Damit droht die Gefahr, dass Schwarz-Gelb dafür schon im Bundestag keine Mehrheit bekommt.

Einfach, wirkungsvoll und steuersystematisch am sinnvollsten wäre es, den Freibetrag zu erhöhen, also die Einkommensgrenze, ab der der Staat anfängt, Steuern zu erheben. Diese liegt derzeit bei einem Jahreseinkommen von 8.004 Euro. Eine solche Maßnahme käme allen Steuerzahlern zugute. Eine ähnliche Wirkung würde eine Absenkung des Eingangssteuersatzes bewirken.

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Die Koalition einigt sich doch auf Abmilderung der kalten Progression: Die Steuern sollen 2013 und 2014 in zwei Schritten um insgesamt sechs Milliarden gesenkt werden. Dazu soll der Eingangssteuersatz angehoben und der Steuertarif um den Inflationsausgleich korrigiert werden. Ob der Bundesrat zustimmt, ist offen. Auch CDU-geführte Länder wollen Einnahmeausfälle vermeiden. Die SPD will mit Verweis auf die Schuldenbremse gegen Steuersenkungen beim Bundesverfassungsgericht klagen.