Teilgeständnisse nützen nichts mehr: Für eine Strafbefreiung muss alles aufgedeckt und belegt werden

Seit Mai 2011 gilt das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz). Damit wurden die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige massiv verschärft. Zu den Auswirkungen dieser Neuregelung wurde bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann vom Deutschen Anlegerfernsehen interviewt. Die Fragen stellte dessen Chefmoderator und Redakteur Dr. Bernhard Jünemann.

____300 Milliarden Euro sollen von Deutschen unversteuert im Ausland angelegt worden sein. Aber bei allen, die Gelder im Ausland angelegt und dafür nicht richtig Steuern bezahlt haben, grassiert nun die Angst. Die Enthüllungsplattform Wikileaks soll im Besitz von 200.000 Datensätzen von Anlegern sein, die der Veröffentlichung harren. Das Bundesverfassungsgericht hat ja schon geurteilt, dass die Nutzung solcher, möglicherweise illegal erlangter Daten, rechtmäßig sei. Was also sollen Anleger tun, die davon betroffen sein könnten? Ist eine Selbstanzeige eine gangbare Option?

Herr Dr. Bormann, ganz allgemein gefragt: Ich darf doch ein Wertpapierdepot im Ausland führen? Was muss ich grundsätzlich beachten, damit ich dabei mit den Steuerbehörden keinen Konflikt bekomme?

Selbstverständlich! Das ist und bleibt auch legal. Sie können als deutscher Steuerpflichtiger überall auf der Welt Geld anlegen. Wir haben aber seit Langem in Deutschland das sogenannte Welteinkommensprinzip, was bedeutet, dass ein Steuerpflichtiger, der in Deutschland unbegrenzt steuerpflichtig ist, seine gesamten Einkünfte, egal wo er sie erzielt, auch der deutschen Steuer unterwerfen muss. Das hat zur Folge, dass die ausländischen Erträge, um die es hier ja vor allem geht, den Weg in die deutsche Steuererklärung finden müssen.

____Und wer die nicht angegeben hat, sagt sich jetzt vielleicht, ich werde steuerehrlich, mache eine sogenannte Selbstanzeige und bekomme dafür Steuerstraffreiheit. Die Regelungen für Selbstanzeigen wurden durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz neu gefasst. Was hat sich da geändert und wann kann ich mit Straffreiheit rechnen?

Im Grunde ist es dabei geblieben, dass wir hier eine Durchbrechung der eigentlichen Strafrechtsnorm haben, sodass jemand, der sich selbst anzeigt und hinterzogene Steuern auch nachträglich bezahlt, mit einer Straffreiheit rechnen kann. Allerdings sind dafür nun die Anforderungen gestiegen. Es gibt drei ganz wesentliche Änderungen:

Erstens gibt es die zeitliche Dimension der sogenannten Sperrwirkung: Früher konnte ich eine Selbstanzeige selbst dann noch machen, wenn sich das Finanzamt zur Prüfung schon angekündigt hatte. Das geht jetzt nicht mehr. Sobald ich eine schriftliche Prüfungsanordnung erhalten habe, tritt die Sperrwirkung ein und eine Selbstanzeige ist fortan nicht mehr möglich, jedenfalls nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung. Aber: Wenn lediglich eine telefonische Terminabstimmung stattgefunden hat, dann bleibt mir für eine strafbefreiende Selbstanzeige noch eine kurze Frist, nämlich die Zeit bis zur schriftlichen Prüfungsanordnung. Diese zeitliche Vorverlegung, die es einem schwerer macht, die Straffreiheit zu erlangen, ist die erste gravierende Neuerung.

Die zweite große Änderung betrifft die Abgrenzung zwischen teilweise ehrlich und ganz ehrlich. Früher war es möglich, abgegrenzte Steuersachverhalte nachzuerklären und auch nachzuzahlen, und man konnte sich dann die Straffreiheit erhoffen. Im Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ist nun aber klipp und klar geregelt: Ich muss vollumfänglich die hinterzogenen Sachverhalte angeben und die darauf anfallenden Steuern nachentrichten.

Wenn ich also annehme, ich sei mit meinem Konto bei der Bank A beispielsweise über den Ankauf einer Daten-CD entdeckt worden, mit meinem Konto bei der Bank B aber noch nicht, dann habe ich früher vielleicht kurz daran gezweifelt, ob ich die Bank B auch angeben soll. Diese Zweifel sollte man heute unterdrücken und auch die Bank B gleich berücksichtigen. Sonst läuft man Gefahr, dass dann, wenn das Konto B später vielleicht doch entdeckt wird, die schon gewährte Straffreiheit rückwirkend wieder außer Kraft gesetzt wird.

Die dritte Änderung, die das neue Gesetz gebracht hat, lässt manchem Steuerpflichtigen den eiskalten Schauer über den Rücken rieseln: Jetzt wird nämlich zwischen einer Art Großstraftat und einer kleinen Steuerhinterziehung unterschieden. Die Grenze liegt bei 50.000 Euro. Wenn ich die überschreite, muss ich weitere Zahlungen leisten, nämlich über die hinterzogenen Steuern plus Zinsen hinaus weitere 5 Prozent!

____Wenn also so eine Grenze existiert und ich die überschreite, ist es dann in jedem Fall erforderlich, dass ich alles deklariere?

Um die Chance auf die Straffreiheit nicht zu verspielen, kann man diese Frage nur mit einem ganz klaren ja beantworten. Man muss da aber ein wenig sezieren und feststellen, das die Grenze für die hinterzogene Summe sich auf jeweils eine Steuerart und ein Veranlagungsjahr bezieht. Wenn ich also hinterzogene Mieteinkünfte, bspw. für eine Ferienwohnung in der Schweiz, als auch hinterzogene Umsatzsteuer habe, dann liegen hier verschiedene Einkunftsarten vor, für deren fällige Steuern jeweils die 50.000 Euro in Anrechnung gebracht werden können.

____Jetzt gibt es ja in Deutschland für Kapitaleinkünfte seit Anfang 2009 die Abgeltungsteuer. Wenn ich da Zins- oder Dividendeneinkünfte aus der Vergangenheit habe, wie werden die dabei behandelt?

Wir haben ganz klar die Steuerregelungen, die für die entsprechenden Veranlagungsjahre gelten. Ich muss grundsätzlich immer alle Einkünfte angeben.

____Ein bisschen ehrlich reicht jetzt also nicht mehr aus. Welche Unterlagen muss ich denn dann beibringen? Was will das Finanzamt alles wissen und haben? Und: Stehen mir diese Unterlagen überhaupt zur Verfügung? Kann ich die beibringen? Ist das bei Auslandskonten, die schon länger bestehen, nicht sehr schwierig? Dann habe ich doch ein Problem.

Ja, das ist so. Und das liegt im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen. Grundsätzlich gilt, dass ich den Sachverhalt vollständig und in der Regel auch nachweisbar aufklären muss. Ich muss mich also schon bemühen, bei meiner Bank die Depotauszüge für die betroffenen Jahre zu besorgen. Das ist manchmal mit nicht unerheblichen Gebühren verbunden. Es gibt auch Fälle, wo die Banken diese Unterlagen nicht mehr haben. Auch in diesen Fällen kann man mit einer umfänglichen Selbstanzeige noch zum Ziel geraten, wenn man den Sachverhalt sehr plausibel und glaubhaft durch Eigenbelege und Eigenberechnungen aufbereitet. Aber auch hier gilt: Man darf auf keinen Fall die Erträge zu gering schätzen, weil man dann ja wieder in die Gefahr der Teilehrlichkeit gerät und die gewünschte Straffreiheit damit verpasst.

____Wie gehe ich denn bei einer Selbstanzeige vor. Gibt es dafür so eine Art Checkliste, damit ich keinen Fehler mache? Worauf muss ich achten?

Da ist der größte Feind die Uhr. An erster Stelle muss stehen: Ist dem Finanzamt schon etwas bekannt? Gab es eine telefonische Ankündigung? Dann bleiben mir nur noch ganz wenige Tage. Ferner muss ich prüfen, ob dem Finanzamt vielleicht etwas bekannt ist, weil ich angezeigt wurde. Ich muss also versuchen, den Erkenntnisstand der Gegenseite herauszubekommen.

Das zweite Stichwort auf der Checkliste lautet Vollständigkeit. Für unvollständige Angaben muss gar kein böser Wille vorliegen. Manchmal liegen da ein paar Jahre dazwischen. Dann muss man aber so gründlich wie möglich recherchieren und den Sachverhalt so vollständig wie möglich darstellen. Ansonsten gefährde ich die Steuerstraffreiheit und darf trotzdem die Steuern nachzahlen!

Die Nummer drei auf der Checkliste betrifft die Formalien. Steuerrecht wird ja von Jahr zu Jahr immer formalistischer und mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz unterliegt auch eine Selbstanzeige einer hohen Formalisierung. Zwar geht die auch heute noch ohne Vordruck. Sie muss aber den ganzen von uns erörterten Bedingungen penibel genügen. Und deshalb kann man nur empfehlen, die Selbstanzeige nicht alleine zu Papier zu bringen, sondern sie mit fachkundiger Hilfe zu formulieren.

____Herr Dr. Bormann, ganz herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.