Das Insolvenzplanverfahren bietet einen Rahmen zur Umwandlung von Forderungen in Beteiligungen

Die maßgebenden Änderungen der Insolvenzordnung durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sind zum 01. März 2012 in Kraft getreten. In bdp aktuell haben wir bereits sowohl über die neue Option, im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens einen dreimonatigen Vollstreckungsschutz zu erhalten (Ausgabe 81 | Januar 2012), als auch über die erleichterte Möglichkeit zur Selbstverwaltung im Insolvenzverfahren (Ausgabe 82 | Februar 2012) berichtet. In dieser Ausgabe informieren wir über die neue Sanierungsregelung eines Debt-Equity-Swaps.

Kernidee des ESUG und der damit einhergehenden Änderungen der Insolvenzordnung ist es, überlebensfähigen Unternehmen stärker als bisher eine echte Chance zur Sanierung zu bieten. Um dies zu erreichen, wurden durch die Gesetzesänderung auch Sanierungsregelungen in die Insolvenzordnung eingefügt, die das deutsche Insolvenzrecht bisher nicht kannte. Eine derartige Sanierungsregelung ist der sogenannte Debt-Equity-Swap.

Was ist ein Debt-Equity-Swap?

Diese neu-deutsche Wortschöpfung setzt sich aus „Distressed Debt“ = Forderung mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit, „Equity“ = kapitalmäßige Beteiligung sowie „Swap“ = Wechsel zusammen.

Mit der Bezeichnung Debt-Equity-Swap wird die Umwandlung einer Forderung mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit in eine Beteiligung an dem Unternehmen verstanden.

Obwohl bisher im deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrecht nicht ausdrücklich geregelt, wird der Debt-Equity-Swap bereits seit Jahren in Deutschland tatsächlich gelebt (siehe beispielsweise den Fall „Borussia Dortmund“), aber kaum im Rahmen von sanierenden Insolvenzen eingesetzt (d. h. meist außerhalb von Insolvenzverfahren).

Mit dem ESUG wird der Debt-Equity-Swap (außerhalb des Bankrechts) erstmalig im deutschen Recht gesetzlich geregelt, und zwar in der Insolvenzordnung. Dort soll dann konkret das Planverfahren der Rahmen sein, in dem die Gläubiger des Unternehmens ihre Forderungen in Eigenkapital der Insolvenzschuldnerin umwandeln können.

Warum gerade im Planverfahren und warum gerade eine originäre Regelung in der Insolvenzordnung?

Auf den ersten Blick erscheint die Regelung des Debt-Equity-Swaps im deutschen Recht gerade in der Insolvenzordnung nicht nachvollziehbar, da der Debt-Equity-Swap eigentlich ein gesellschaftsrechtlich geprägtes Instrumentarium ist. Demnach würde systematisch eine Regelung im GmbHG oder im Aktien-Gesetz oder im HGB naheliegen. Die Regelung in der Insolvenzordnung war jedoch nicht beliebig.

Die Bundesregierung verfolgte mit der Regelung explizit in der Insolvenzordnung mehrere Ziele:

  • Zunächst soll die Insolvenzordnung enger an das Gesellschaftsrecht heranrücken.
  • Dann soll die Insolvenzordnung durch den Debt-Equity-Swap konkurrenzfähiger gegenüber den Regelungen anderer europäischer bzw. außereuropäischer Rechtsordnungen gemacht werden, die den Debt-Equity-Swap als gängiges Restrukturierungsinstrument schon länger kennen.
  • Schließlich war wegen verschiedener Problemkreise der Debt-Equity-Swap im deutschen Insolvenzplanverfahren bisher nicht bzw. kaum durchführbar.

Das in der Insolvenzordnung geregelte Planverfahren stellt ein mit dem US-amerikanischen Chapter 11 (vollständige Langform: Chapter 11 of Title 11 of the Code of Laws of the United States of America) vergleichbares Verfahren dar. Die Insolvenzordnung verfolgt damit nicht das wirtschaftspolitische Ziel der Marktbereinigung, d. h. dass durch eine insolvenzrechtliche Liquidation das ausgeschieden wird, was nicht mehr markttauglich ist, sondern es soll durch eine insolvenzplanmäßige Restrukturierung gerade die Marktfähigkeit der Insolvenzschuldnerin hergestellt werden, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht ohne Weiteres hergestellt werden könnte.

Der Weg geht folglich weg von der sonst automatischen Versilberung der Insolvenzschuldnerin und hin zur Sanierung des Unternehmens. Die Insolvenzordnung eröffnet mit dem Planverfahren ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Sanierung des insolventen Unternehmens. Das Planverfahren bildet einen geregelten Rahmen, innerhalb dessen sich die Gläubiger über einen von der Insolvenzschuldnerin vorgelegten Insolvenz- bzw. Sanierungsplan verständigen und letztlich abstimmen können.

Was hat den Debt-Equity-Swap bislang erschwert?

Die angesprochenen verschiedenen Problemkreise, die einen Debt-Equity-Swap bisher im deutschen Insolvenzplanverfahren nicht bzw. kaum durchführbar machen ließen und die nun im ESUG geregelt werden, lassen sich wie folgt beschreiben:

  • Es bestand bisher die Gefahr einer Sanierungsblockade der Altgesellschafter der Insolvenzschuldnerin, da Kapitalmaßnahmen nur mit der Zustimmung der Gesellschafter erfolgen konnten. Es mussten daher Regelungen gefunden werden, die es ermöglichen, die Altgesellschafter in den Insolvenzplan mit einzubeziehen und gesellschaftsrechtliche Regelungen im Insolvenzplan rechtssicher zur Verfügung stellen.
  • Es musste eine Regelung geschaffen werden zur Zustimmung und ggf. Überstimmung der Altgesellschafter zum Insolvenzplan und es musste geregelt werden, wie Altgesellschafter die Möglichkeit erhalten, den Insolvenzplan gerichtlich anzugreifen,
  • Es musste die Absicherung der sich beteiligenden Gläubiger gegen ein Differenzhaftungsrisiko geregelt werden, d. h., die Frage der Werthaltigkeit bzw.  Bewertung der umgewandelten Forderung musste kodifiziert werden.

Wie setzt das ESUG die Neuregelung des Debt-Equity-Swaps um?

§ 217 S. 2 InsO regelt, dass die Altgesellschafter der Insolvenzschuldnerin in den Plan einbezogen werden und damit eine eigene Abstimmungsgruppe über den Insolvenzplan bilden können.

Generell erfolgt die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital mittels Debt-Equity-Swap durch einen sogenannten Kapitalschnitt: Nominelle Kapitalherabsetzung (§§ 229 ff. AktG, §§ 58a GmbHG) mit anschließender Kapitalerhöhung durch Einbringung der Forderung der Gläubiger als Sacheinlage (§§ 182 ff. AktG, §§ 56 GmbHG).

§ 225a Abs. 2 InsO regelt nun einen Debt-Equity-Swap in Gesetzesform. Geregelt wird die Kapitalherabsetzung und -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen und der Ausschluss von Bezugsrechten sowie die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Gesellschafter. Dabei ist nach § 225 Abs. 3 InsO jede Regelung möglich, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist.

Nach §§ 225a Abs. 3, 254a Abs. 2 InsO werden die gesellschaftsrechtlich notwendigen Beschlüsse der Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung mit der Annahme des Plans fingiert. Der Verwalter wird ermächtigt, diese zum Handelregister anzumelden. Die bisher mögliche Sanierungsblockade der Altgesellschafter wird damit beseitigt. Die Altgesellschafter müssen innerhalb ihrer Gruppe nur mit mehr als der Hälfte des abstimmenden Beteiligungskapitals zustimmen, damit der Plan von dieser Gruppe als angenommen gilt.

Flankiert wird dies von dem Obstruktionsverbot nach § 245 Abs. 3 InsO. Danach wird die Zustimmung der Altgesellschafter trotz verweigerter Zustimmung fingiert, wenn der Insolvenzplan eine angemessene Entschädigung für die Altgesellschafter enthält bzw. diese nicht erforderlich ist. Damit kann der Plan und der Debt-Equity-Swap gegen den Willen der Altgesellschafter durchgesetzt werden. Die sofortige Beschwerdemöglichkeit gegen die Bestätigung des Insolvenzplans wird nach § 253 InsO eingeschränkt.

§ 254 Abs. 4 InsO stellt ausdrücklich klar, dass der Gläubiger vor einer Differenzhaftung im Insolvenzplanverfahren geschützt ist. Ansprüche des Insolvenzschuldners gegen den einbringenden Gläubiger wegen einer Überbewertung der eingebrachten Forderungen im Plan sind nämlich ausgeschlossen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens und der Durchführung eines Debt-Equity-Swap gilt dies nicht. Dort gilt § 9 GmbHG und die betreffenden Rechtsprechungsgrundsätze.

Ist ein Debt-Equity-Swap risikofrei?

Beim Debt-Equity-Swap bestehen steuerliche Risiken, die nicht durch das ESUG beseitigt worden sind. Zum einen geht es um die Besteuerung der Sanierungsgewinne. Durch die Reduzierung der Forderung der Gläubiger auf den wirklichen Wert und den damit verbundenen Verzicht eines Teils der Forderung entsteht bei der Insolvenzschuldnerin ein Ertrag bzw. Sanierungsgewinn. Dieser unterliegt grundsätzlich der Köper- und Gewerbesteuer. Der hierzu ergangene Sanierungserlass des BFM findet nach zwischenzeitlicher Aussetzung jedoch weiterhin Anwendung.

Der Sanierungserlass erfasst aber nicht die von den Gemeinden erhobene Gewerbesteuer. Ferner handelt es sich bei dem Sanierungserlass nur um eine Billigkeitsentscheidung der Finanzverwaltung. Es sollte daher vorher eine verbindliche Auskunft eingeholt werden.

Ferner droht der Verlust von Verlustvorträgen. Gemäß § 8c KStG handelt es sich bei einem Debt-Equity-Swap um einen „schädlichen Beteiligungserwerb“, der zum Verlust der Verlustvorträge führen kann, wenn der Gläubiger im Rahmen des Debt-Equity-Swaps mehr als 25 % bzw. mehr als 50 % der Geschäftsanteile übernimmt. Die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1 KStG ist gegenwärtig ausgesetzt.

Die Regelung des Debt-Equity-Swaps ist daher unvollständig und müsste vom Gesetzgeber zumindest in steuerlicher Hinsicht noch komplettiert werden. In jedem Fall sind die steuerlichen Implikationen vor der Durchführung eines Debt-Equity-Swaps genau zu prüfen.

Ausblick auf die zweite Stufe der Insolvenzreform

Nach dem nun in Kraft getretenen ESUG steht die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform an. Insolvente Existenzgründer und Verbraucher sollen schneller als bisher eine zweite Chance erhalten, wenn sie einen Teil ihrer Schulden begleichen.

Künftig sollen Schuldner im Insolvenzverfahren schon nach drei statt bisher sechs Jahren von ihren Restschulden befreit werden, wenn sie mindestens ein Viertel der Forderungen und die Verfahrenskosten bezahlen. Eine Verkürzung von bisher sechs auf fünf Jahre soll möglich werden, wenn immerhin die Verfahrenskosten vollständig bezahlt werden. Das außergerichtliche Einigungsverfahren soll gestärkt werden. Wenn sich einzelne Gläubiger gegen eine sinnvolle außergerichtliche Einigung sperren, soll ihre Zustimmung künftig vom Gericht ersetzt werden. Letztlich soll auch die Insolvenzfestigkeit von Lizenzen Inhalt der Neuregelung werden. Wir werden Sie weiter informieren.