Die Doppelbesicherung eines Gesellschaftsgläubigers bringt in der Insolvenz eine Erstattungspflicht des GmbH-Gesellschafters

Besteht für die Forderung eines Darlehensgläubigers sowohl eine Sicherheit der Gesellschaft als auch eine Sicherheit durch den Gesellschafter selbst und wird diese doppelt besicherte Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen mittels Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet.

Die Problemstellung einer neueren, wichtigen BGH-Entscheidung (BGH vom 01. Dezember 2011, Gz. IX ZR 11/1) betrifft den Fall einer „Doppelbesicherung“, d. h., dass ein Gesellschafter einer GmbH für „seine“ GmbH eine Sicherheit bestellte, aber gleichzeitig die Gesellschaft selbst ebenfalls eine Sicherheit für eine von der Gesellschaft begründete Darlehensverbindlichkeit bestellte. Wenn nun der Insolvenzfall der GmbH eintritt (Eröffnung des Verfahrens) und der Gläubiger den Gesellschafter hinsichtlich seiner gegebenen Sicherheit nicht in Anspruch nimmt, sondern vielmehr nach Insolvenzeröffnung Erlöse aus einer Sicherungsübereignung erhält, die ihm die Gesellschaft als Kreditsicherheit eingeräumt hatte, stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter einer GmbH gegen den Gesellschafter dann einen Erstattungsanspruch geltend machen kann.

Konkret gestaltete sich der vom BGH entschiedene Fall wie folgt: Der Kläger war der Insolvenzverwalter der S. GmbH. Beklagter ist der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der S. GmbH. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH wurde eröffnet.

Der Beklagte hatte einer Gläubigerin, eine Sparkasse, zur Besicherung „seiner“ S. GmbH Grundschulden an einem ihm persönlich gehörenden Grundstück in Höhe von knapp 1 Mio. Euro gewährt. Daneben stand der Sparkasse Sicherungseigentum an verschiedenen Kraftfahrzeugen der insolventen S. GmbH zu.

Der Insolvenzverwalter verwertete dann diese Fahrzeuge und zahlte der Sparkasse den Nettosicherheitenerlös aus. Der Insolvenzverwalter verlangte dann schließlich von dem Beklagten den Betrag, der dem an die Sparkasse ausbezahlten Nettosicherheitenerlös (Verwertung der Fahrzeuge) entsprach. Er begründete dies damit, dass in dieser Höhe die Grundschulden des Beklagten zugunsten der Sparkasse frei geworden seien.

In diesem kleinen Fall stecken diverse rechtliche Probleme:

Der Fall schildert einen typischen Ablauf im eröffneten Insolvenzverfahren. Die Gesellschaftssicherheiten wurden nicht vor der Eröffnung des Verfahrens durch den Gläubiger geltend gemacht, sondern wurden erst im eröffneten Verfahren durch die Verwertung seitens des Insolvenzverwalters geltend gemacht.

Die in der Praxis oft auftretenden juristischen Probleme resultieren daraus, dass der Gesetzgeber mit der Reform des GmbH-Gesetzes (Stichwort MoMiG) zugleich die früheren sogenannten Rechtsprechungsregeln zu den §§ 30, 31 GmbHG a.F. aufgehoben hat. Diese galten bis dato neben den Bestimmungen über den früheren Eigenkapitalersatz gemäß den §§ 32a, 32b GmbHG nach der ständigen Rechtsprechung des BGH fort.

Diese Dualität hatte zur Folge, dass gegen den Gesellschafter der GmbH ein Erstattungsanspruch nach den §§ 30 f. GmbHG analog bestand, wenn er der Gesellschaft eine Sicherheit gestellt hatte, diese jedoch ganz oder teilweise nicht benötigt wurde, weil der Gläubiger Befriedigung seiner schuldrechtlichen Forderungen gegen die insolvente Gesellschaft durch die Verwertung von Gesellschaftssicherheiten erhielt. Anknüpfungspunkt war dabei die Unterschreitung der „Stammkapitalziffer“ der Gesellschaft. Die Auszahlung an den Gläubiger aus der Gesellschaftssicherheit stand danach der unzulässigen Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter in Höhe des Wertes seiner dem Gläubiger gewährten Sicherheit gleich.

Nach dem Wegfall dieser Rechtsprechungsregeln durch das MoMiG verbleibt in solchen Fällen nach dem Gesetzeswortlaut allein die anfechtungsrechtliche Rückgewähr unter den Voraussetzungen der §§ 135 Abs. 2, 143 InsO. In Praxis und Literatur wurde vor dem Hintergrund dieses Gesetzesdefizits diskutiert, die Bestimmung des § 44a InsO sei auch auf die Fälle der Doppelbesicherung durch Gesellschafter und Gesellschaft anzuwenden, damit die Haftung des Gesellschafters nicht „zulasten der unbesicherten Insolvenzgläubiger ausgehöhlt wird“. Nach dieser Ansicht müsste der Gläubiger mit der Verwertung der Eigensicherheit der Gesellschaft warten, bis die von dem Gesellschafter bestellte Sicherheit verwertet worden ist. Bei Grundschulden kann das allerdings Jahre dauern. Dies lehnt der BGH nun jedoch ab.

BGH: Anfechtungsanspruch mangels Voraussetzungen zu verneinen

Der BGH stellte nun fest, dass es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung für derartige Fälle fehle. Ein Anfechtungsanspruch sei mangels Vorliegen der Voraussetzungen zu verneinen. § 135 Abs. 2 InsO regle anfechtbare Rechtshandlungen, die im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag zur Befriedigung eines Gläubigers geführt hätten, sofern ein Gesellschafter zur Absicherung des Darlehens des Gläubigers eine Sicherheit bestellte. Der BGH weist ferner die Rechtsauffassung zurück, wonach die Vorschrift auch Rechtshandlungen nach dem unmittelbaren Gesetzestext auch nach Verfahrenseröffnung erfassen soll.

Die entstandene Gesetzeslücke (Wegfall der genannten Rechtsprechungsregeln, Unanwendbarkeit des § 135 Abs. 2 InsO) habe der Gesetzgeber nicht gesehen, jedenfalls habe er nicht „bewusst von einer Regelung des vorliegenden Problems abgesehen“, so der BGH. Befriedigt der Gesellschafter in den hier zu beurteilenden „Doppelbesicherungsfällen“ den Gläubiger der GmbH, dann ist seine Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

Ferner: Hat der Gesellschafter die Gläubiger im Jahr vor der Verfahrenseröffnung befriedigt und erfolgreich Regress bei der Gesellschaft genommen, so ist diese Leistung der Gesellschaft an ihren Gesellschafter nach § 135 Abs. 2 InsO anfechtbar.

Soweit die gesicherte Forderung im eröffneten Insolvenzverfahren noch offen sei, könne der Gläubiger im Ergebnis von der Gesellschaft nur Leistung gemäß § 44a InsO in Höhe ihres Ausfalls beim Gesellschafter verlangen. Der Gesellschafter ist von dem Gläubiger auch nach Verfahrenseröffnung in Anspruch zu nehmen. Nach Ansicht des BGH besteht diese Rechtslage unabhängig davon, ob dem Gläubiger neben der Gesellschaftersicherheit noch eine Sicherheit durch die Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden sei. „Im wirtschaftlichen Ergebnis [müsse] die Gesellschaftersicherheit vorrangig verwertet werden.“ Es sei „äußerst unwahrscheinlich“, dass der Gesetzgeber den Fall der Verwertung der Gesellschaftssicherheit im eröffneten Verfahren anders regeln wollte, als denjenigen der Verwertung vor Verfahrenseröffnung.

Gesellschafter muss ausgekehrten Betrag erstatten

Der Senat wendet im Ergebnis § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO analog an. Der BGH entschied damit, dass, sofern die gesicherte Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt worden ist, der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet ist.

Ferner ist geklärt, dass die Gläubiger weiterhin das Wahlrecht haben, die Sicherheit der Gesellschaft zu verwerten, ohne zunächst den Gesellschafter in Anspruch nehmen zu müssen. Die Gesellschafter können nicht von dem Gläubiger fordern, er möge in ihrem Interesse zunächst seine Forderungen aus dem zur Besicherung zur Verfügung gestellten Vermögen der Gesellschaft befriedigen. Der Gläubiger kann vielmehr nach wirtschaftlich vernünftigen Gesichtspunkten vorgehen. Im insolvenznahen Bereich ist bei der Einräumung von Sicherheiten und deren Verwertung höchste Sorgfalt geboten. Wir unterstützen Sie dabei gerne.