Bundesregierung beschließt: Das Insolvenzrecht soll zukünftig die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen erleichtern

Die Bundesregierung hat am 23. Februar 2011 das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG, vgl. bdp aktuell 70) verabschiedet. Mit dem Gesetzentwurf soll der dringendste Reformbedarf des aktuellen Insolvenzrechts angegangen werden. Dabei soll das Insolvenzrecht in drei Stufen bis hin zu einem Konzerninsolvenzrecht reformiert werden. Das ESUG soll die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Fortführung notleidender, aber sanierungsfähiger Unternehmen verbessern, aber gleichzeitig am eigentlichen Zweck des Insolvenzverfahrens, der Befriedigung der Gläubiger, festhalten.

Die Fortführung von sanierungsfähigen Unternehmen soll durch folgende Änderungen vereinfacht werden:

  • stärkerer Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters
  • vereinfachter Zugang zur Eigenverwaltung und deren Verbesserung
  • vorbereitende Sanierung unter Aufsicht eines Sachwalters
  • Ausbau und Straffung des Insolvenzplanverfahrens
  • größere Konzentration der Zuständigkeit der Insolvenzgerichte

Eigenverwaltung stärken

Der Verlust der Eigenständigkeit ist oft die größte Sorge des Unternehmers und hält die geschäftsführenden Organe regelmäßig von einer frühzeitigen Antragstellung ab. Bisher wird von der Eigenverwaltung, welche die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung bestmöglich nutzen und die Einarbeitungszeit eines Insolvenzverwalters vermeiden soll, wenig Gebrauch gemacht. Dabei hat sich die Eigenverwaltung, so sie denn angeordnet wurde, bewährt.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung sollen maßvoll gelockert werden. Es soll dem Antrag auf Eigenverwaltung dann stattzugeben sein, wenn nicht tatsächlich konkrete Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.

Schutzschirmphase soll Sanierung vorbereiten

Bei drohender Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung kann der Schuldner zudem drei Monate lang unter der Aufsicht eines regelmäßig von ihm zu bestimmenden Sachwalters ohne Vollstreckungsdruck einen Sanierungsplan ausarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan im Insolvenzverfahren umgesetzt werden kann. In dieser dreimonatigen Schutzschirmphase setzt das Gericht weder einen vorläufigen Insolvenzverwalter ein noch entzieht es dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen.

Das Schutzschirmverfahren könnte effektiv zu frühzeitiger eingereichten Insolvenzanträgen führen.

Insolvenzplanverfahren ausbauen: Debt-to-Equity-Swap wird möglich

Das Insolvenzrecht lässt bislang die Rechte der Anteilseigner des insolventen Unternehmens bei einer Sanierung durch Insolvenzplan unberührt. Änderungen dieser Rechte sind nur mit Zustimmung der Inhaber nach den Vorschriften des Gesellschaftsrechts zulässig. Künftig soll es zulässig sein, in einem Insolvenzplan Kapitalmaßnahmen vorzusehen, insbesondere die Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile, sogenannte Debt-to-Equity-Swaps.

Durch einen solchen Wegfall von Verbindlichkeiten kann eine Überschuldung beseitigt werden. Gleichzeitig kann das Erlöschen von Zins- und Tilgungsverpflichtungen die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen. Für die Gläubiger hat die Umwandlung ihrer Forderungen in Anteile den Vorteil, dass sie an künftigen Erträgen beteiligt werden und über die weitere Entwicklung mitbestimmen können.

Anteilsinhaber können im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht mehr grundsätzlich die Entscheidungen über ihre Rechte blockieren. Sie werden als eigene Abstimmungsgruppe in das Verfahren über den Insolvenzplan einbezogen. Zur Abwehr von Störerstrategien gilt für sie – wie schon bisher für die Gläubiger – ein Obstruktionsverbot. Für überstimmte Anteilsinhaber greift ein Minderheitenschutz.

Damit werden die Anteilseigner den Gläubigern gleichgestellt. Mit der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans gelten die in den Plan aufgenommenen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen (Kapitalherabsetzung, Kapitalerhöhung, Bezugsrechtsausschluss, Fortsetzungsbeschluss) als beschlossen.

Einschränkung der Rechtsmittel sollen Blockaden vermeiden

Dem Einsatz von Rechtsmitteln kommt derzeit ein erhebliches Störpotenzial zu. Wird das Inkrafttreten eines Insolvenzplans verschleppt, ist dies für die Beteiligten meist schwer erträglich, und der Erfolg einer Sanierung wird fraglich.

Der Gesetzentwurf sieht daher ein Bündel von Maßnahmen vor, die dieses Störpotenzial verringern sollen. Die Einschränkung der Rechtsmittel geht einher mit der Möglichkeit, im Plan entsprechende Mittel für Ausgleichszahlungen an schlechter gestellte Gläubiger vorzusehen.

Insolvenzplan und Masseverbindlichkeiten

In Insolvenzplanverfahren bereitet bislang die Pflicht, vor der Aufhebung des Verfahrens alle unstreitigen Masseansprüche zu berichtigen, gewöhnlich dann Schwierigkeiten, wenn das Unternehmen fortgeführt werden soll: Für viele bereits begründete Verbindlichkeiten liegen noch keine Rechnungen vor, Dauerschuldverhältnisse werden fortgesetzt, und es werden laufend neue Verbindlichkeiten begründet.

Künftig wird die Pflicht des Verwalters, vor Aufhebung des Verfahrens die unstreitigen Masseansprüche zu erfüllen und für die streitigen Verbindlichkeiten Sicherheit zu leisten, auf die fälligen Ansprüche beschränkt. Für die nicht fälligen Ansprüche reicht es aus, dass ein Finanzplan vorliegt, aus dem sich ergibt, dass die Erfüllung gewährleistet ist. Auf diese Weise soll ebenfalls der Abschluss des Verfahrens vereinfacht und beschleunigt werden.

Stärkung des Gläubigereinflusses auf die Auswahl des Insolvenzverwalters

Derzeit wird in der Praxis von der Option nur selten Gebrauch gemacht, in der ersten Gläubigerversammlung einen anderen als den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter zu wählen, da ein Wechsel des Insolvenzverwalters einige Wochen nach Verfahrenseröffnung regelmäßig zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand bedeutet.

Um den Gläubigern eine stärkere Beachtung zu verschaffen, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Gerichte schon nach dem Eingang eines Eröffnungsantrages einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn das Unternehmen eine bestimmte Mindestgröße erreicht. Ausnahmen sind dann vorgesehen, wenn die Einsetzung eines solchen Ausschusses entweder im Hinblick auf das geringe Restvermögen des Schuldners unverhältnismäßig wäre oder zu einer nachteiligen Verzögerung des Verfahrens führen würde.

Beschlüsse des vorläufigen Gläubigerausschusses zu den Anforderungen, die bei der Auswahl des Verwalters zu beachten sind, sollen für das Gericht verbindlich sein. Spricht sich der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig für eine bestimmte Person als Verwalter aus, so muss das Gericht diese ernennen, es sei denn, es fehlen ihr die Sachkunde oder die Unabhängigkeit.

Sind allerdings im Einzelfall nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu befürchten, so kann das Gericht auf die Einsetzung des Ausschusses verzichten.

Stärkere Konzentration von Zuständigkeiten

Die neue Insolvenzordnung sieht nun als Regelfall vor, dass in jedem Landgerichtsbezirk nur ein Amtsgericht für Insolvenzsachen zuständig ist. Sanierungen in Insolvenzverfahren sollen zügig und sachkundig nur von einem Insolvenzgericht begleitet werden, das neben seiner fachlichen Kompetenz durch die wiederholte Behandlung ähnlicher Fälle Erfahrungen auf diesem Gebiet hat.

Fazit

Die Bundesregierung möchte mit der angestrebten Gesetzesänderung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sanierung notleidender Unternehmen verbessern. Damit wurden auch die notwendigen Lehren aus der Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahre gezogen und der Sanierungsstandort Deutschland gestärkt.

Die Ausrichtung der Reform auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ist in jedem Fall zu begrüßen. Vor allem durch die Stärkung der Eigenverwaltung kann auch mit entsprechender Unterstützung des Sachwalters und anderer fachkundiger Personen die verbleibende Zeit intensiv zur Unternehmenssanierung genutzt werden.

Auch die neuen Regelungen zum Planverfahren bieten erheblich mehr Gestaltungsspielraum und gewinnen durch den Wegfall von Blockademöglichkeiten einzelner Beteiligter deutlich an Attraktivität. Ebenso sind die erweiterten Möglichkeiten der Einflussnahme der Gläubiger grundsätzlich zu befürworten, wobei diese nicht unbedingt eine frühzeitige Antragstellung fördern. Abzuwarten bleibt ebenso, wie sich zukünftig insbesondere institutionelle Gläubiger und Großgläubiger verhalten werden.

Im Ergebnis ist die zügige Umsetzung des Gesetzentwurfs zu befürworten.