Auch kleine Betriebe werden zur Lohnsummenprüfung gezwungen

Bis spätestens Mitte 2016 muss der Gesetzgeber die Erbschaftsteuer reformieren. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anerkannt, dass Betriebsvermögen grundsätzlich begünstigt werden kann. Die Richter bemängelten jedoch, dass bisher bei Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern keine Lohnsummenprüfung und bei großen Vermögen keine Bedürfnisprüfung vorgenommen wird. Wir analysieren den letzen Gesetzentwurf von Wolfgang Schäuble.

Bitte beachten Sie: Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe hat die Bundesregierung einen veränderten Kabinettsbeschluss verabschiedet. bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann kommentiert auf n-tv.de die jüngste Entwicklung.

Grundsätzlich sollen vererbte Betriebsvermögen weiterhin nur zu 15 % der Erbschaftsteuer unterliegen – vorausgesetzt, das Unternehmen wird mindestens fünf Jahre fortgeführt. Beläuft sich die Fortführung auf mindestens sieben Jahre, fällt sogar gar keine Erbschaftsteuer an. Diese Regelung gilt jedoch ohne Einschränkung nur für Betriebe mit bis zu drei Arbeitnehmern.

Lohnsummenprüfung auch für kleinere Betriebe

Bei Firmen mit vier bis zehn Arbeitnehmern fällt nach dem Schäuble-Entwurf künftig eine Lohnsummenprüfung an. Konkret bedeutet dies, dass Firmenerben nur dann der stark ermäßigte Erbschaftsteuersatz zusteht, wenn sich die Lohnsumme in den fünf Jahren nach der Vererbung oder Schenkung auf mindestens 250 % der ursprünglichen Lohnsumme eines Jahres beläuft. Vollständig verzichtet der Fiskus nur bei den Erben, die ihren Betrieb sieben Jahre fortführen, und wo sich in diesem Zeitraum die Lohnsumme auf 500 % addiert.

Für größere Unternehmen wird der Spielraum noch geringer. Bei Firmen ab elf Mitarbeitern werden 85 % des Betriebsvermögens von der Erbschaftsteuer nur dann befreit, wenn sie in fünf Jahren auf eine kumulierte Lohnsumme von 400 % kommen. Eine komplette Befreiung ist nur für Betriebe vorgesehen, deren Lohnsumme sich in sieben Jahren nach der Vererbung bzw. Schenkung auf 700 % beläuft.

Lohnsumme alleine reicht nicht

Bei etwas größeren Unternehmen reicht allerdings die Lohnsumme alleine nicht aus, um unter die begünstigte (85 %) bzw. vollständig befreiende (100 %) Regelung zu fallen. Übersteigt das begünstigte Vermögen den Wert von 20 Mio. Euro, soll eine Verschonungsbedarfsprüfung gelten. Verfügt der Erbe oder Beschenkte über genügend anderes (privates) Vermögen, um die Steuerlast auf das begünstigte Vermögen von mehr als 20 Mio. Euro zahlen zu können, gilt die 85- bzw. 100-%-Regelung generell nicht.

Die Qual der Wahl

Für diese Fälle besteht jedoch die Möglichkeit, einen Abschlag zu zahlen. Ein Antrag auf diesen sogenannten Verschonungsabschlag ist allerdings unwiderruflich. Bei einem begünstigten Vermögen von 20 Mio. bis 110 Mio. Euro erfolgt für jede 1,5 Mio. Euro, die die Marke von 20 Mio. Euro übersteigen, eine Minderung von jeweils 1 % der Begünstigung von 85 % bzw. 100 %, die wiederum von der Lohnsumme und der Fortführungslänge des Unternehmens abhängt.

Ein Beispiel: Bei einem begünstigten Vermögen von 50 Mio. Euro beliefe sich die Minderung auf 20 %. Es würde dann nur eine Steuerbefreiung von 65 % bzw. 80 % eintreten. Ab einem begünstigten Vermögen von mehr als 110 Mio. Euro will der Gesetzgeber einen pauschalen Verschonungsabschlag von 25 % bzw. 40 % gewähren. Das bedeutet, dass 75 % bzw. 60 % des begünstigten Betriebsvermögens der Erbschaftsteuer unterliegen, selbst wenn das Unternehmen fünf bzw. sieben Jahre fortgeführt wird und sich die Lohnsumme auf 400 % bzw. 700 % beläuft.

Außerdem wird das begünstigte Betriebsvermögen neu definiert. Künftig sollen Vermögensgegenstände nur noch dann von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn sie mindestens zur Hälfte (> 50 %) betrieblich genutzt werden. Finanzmittel gehören nach Abzug der Schulden mit bis zu 20 % des gemeinen Wertes des Betriebsvermögens zum begünstigten Vermögen. Die Schulden werden prozentual in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen aufgeteilt. Von dem nicht begünstigten Vermögen sind dann noch einmal 10 % als begünstigtes Vermögen zu behandeln.

Keine Rückwirkung

Die geplanten Änderungen sollen einen Tag nach Verkündung des Gesetzes gelten. Die Minderung der Arbeitnehmerzahl von 20 auf drei, bei der keine Lohnsummenprüfung stattfinden muss, wird eine Vielzahl von Unternehmen in die Prüfung der Fortführung zwingen.

Nach Angaben aus dem Finanzministerium sollen von der Bedürfnisprüfung nur circa 1 % der Betriebe betroffen sein. Beim vereinfachten Ertragswertverfahren der Finanzverwaltung wird derzeit mit einem Multiplikator von mehr als 18 gerechnet. Damit wird schon ab einem Nachsteuer-Gewinn von etwas mehr als 1 Mio. Euro pro Jahr ein Unternehmenswert von mehr als 20 Mio. Euro erreicht. Das spricht dafür, dass künftig wohl mehr als 1 % der Firmenerben eine Bedürfnisprüfung durchlaufen müssen.

Die größte Schwierigkeit der neuen Regelung wird wohl die sehr auslegungsbedürftige Einordnung in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen sein. Damit werden sich die Gerichte in einer Vielzahl von Fällen beschäftigen müssen.

Fazit

Der Gesetzentwurf geht jetzt in das Gesetzgebungsverfahren ein. Es wird noch etwas dauern, bis er Gesetz ist. Alle Unternehmer, die derzeit mit einer Nachfolgeplanung beschäftigt sind, sollten sehr ernsthaft in Erwägung ziehen, noch die bisherige gesetzliche Regelung zu nutzen. Gern begleitet bdp Sie dabei.