Privatanleger werden die geplante Finanztransaktionssteuer kaum spüren. Die erhofften Steuermehreinnahmen sind aber fraglich
„Merkozy“ haben sich im Grundsatz bereits darauf verständigt: In Europa soll es eine Finanztransaktionssteuer geben. Damit wollen Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Nicolas Sarkozy gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen sollen durch die neue Steuer die Banken an ihrer Rettung finanziell beteiligt werden. Zum anderen will man risikoreiche Finanzspekulationen eindämmen. Wie nicht anders zu erwarten, laufen die Banken gegen das Vorhaben Sturm. Dabei wird auch mit Kostensteigerungen für den Privatanleger argumentiert. Bei n-tv erläuterte bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann die möglichen Folgen einer Finanztransaktionssteuer.
____Die Banken warnen davor, dass der Privatanleger durch die geplante Finanztransaktionssteuer zusätzlich belastet wird. Dies gilt direkt bei Engagements an der Börse, aber auch indirekt beim Kauf von Fonds, Lebensversicherungen oder bei Sparplänen. Mit welchen Belastungen muss der Privatanleger rechnen?
Das ist noch gar nicht so klar. Denn zumindest die Pläne der EU-Kommission sehen vor, den Privatanleger und kleine Unternehmen von der Steuer auszunehmen. Aber selbst wenn sie für diese gelten sollte, sprechen wir hier von 0,1 Prozent Steuern beim Kauf und Verkauf von Aktien und 0,01 Prozent beim Handel mit Derivaten.
Wichtig ist zudem, dass diese Finanztransaktionssteuer nicht den (Wieder-)Einstieg in die vor vielen Jahren abgeschaffte Börsenumsatzsteuer bildet. Mit dieser wurden für die Wirtschaft wichtige Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen oder Verkäufe mittelständischer Unternehmen belastet und behindert.
____Ist die Finanztransaktionssteuer mit den niedrigen Prozentsätzen für den Kleinanleger nicht irrelevant?
Im Prinzip ja. Wenn man sich vor Augen führt, dass bei Publikumfonds Ausgabeaufschläge von bis zu 5 Prozent und mehr verlangt werden, spielen 0,1 Prozent Finanztransaktionssteuer doch eine eher untergeordnete Rolle. Bei den Kosten für den Privatanleger ist es viel entscheidender, dass er über eine günstige Bankverbindung verfügt und seine Kapitalanlagen steuerlich optimiert.
____Zielt die Steuer also viel mehr auf institutionelle Anleger wie Banken, Versicherungen oder Hedgefonds ab?
Das ist richtig. Mittlerweile wird rund die Hälfte der Transaktionen an den europäischen Aktienbörsen durch voll automatisierte Computerprogramme ausgeführt. Häufig handelt es sich hierbei um Hochfrequenzhandel. Die einzelnen Positionen werden also mit höchster Geschwindigkeit immer wieder umgeschlagen. Theoretisch würde hier auch bei einem auf den ersten Blick geringen Steuersatz für den Fiskus einiges zusammenkommen. Brüssel erhofft sich immerhin Einnahmen von 57 Mrd. Euro pro Jahr.
____Und das bezweifeln Sie?
Zumindest die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass solche Steuern zu einem deutlichen Sinken des Handelsvolumens führen können. Das ist zwar durchaus von der Politik so gewollt. Ziel ist es ja auch, riskante Spekulationsgeschäfte der Institutionellen einzuschränken. Gelänge dies tatsächlich, würde aber umgekehrt natürlich auch das beabsichtigte Steueraufkommen darunter leiden. Eine Entschleunigung der Finanzmärkte und hohe Steuereinnahmen des Staates sind nicht gleichzeitig zu haben.
____Wie groß ist die Gefahr, dass die Banken und andere institutionelle Anleger an andere Handelsplätze ausweichen?
Die EU will zwar auch die Geschäfte außerhalb der Europäischen Union besteuern, wenn daran europäische Institute beteiligt sind. Da darf man aber gespannt sein, wie dies datentechnisch erfasst werden soll. Zudem hat sich die Finanzindustrie bisher immer als äußerst innovativ erwiesen, mit neuen Produkten unliebsame Hindernisse zu umgehen.
____Was wären denn aus steuersystematischer Sicht geeignete Instrumente, um die Banken an ihrer Rettung finanziell zu beteiligen und gleichzeitig risikoreiche Spekulationsgeschäfte einzuschränken?
Man könnte die Kreditinstitute, aber auch Versicherungen oder Hedgefonds an anderer Stelle besteuern – mit Bankenabgaben oder Ähnlichem. Zur Reduzierung von spekulativen Geschäften könnten die Eigenkapitalvorschriften verschärft werden. Daran wird ja bereits gearbeitet. Man muss sich aber auch im Klaren sein, dass darunter gleichzeitig die Kreditvergabe der Banken leiden kann. Angesichts der aktuellen Schwierigkeiten verschiedener südeuropäischer Staaten, neue Anleihen zu platzieren, wäre ein solcher Effekt derzeit sicherlich kontraproduktiv.