Personalarbeit in China muss konzeptionell begründet und lokal angepasst sein

Unser Gesprächspartner Robert Bornemann ist verantwortlicher Managing Partner Asien Pazifik der Central Advising Group. Er lebt und arbeitet seit über 10 Jahren in Asien mit dem Schwerpunkt in China und begleitet dort mit seinen Teams die Personalarbeit europäischer Mittelständler und Konzerne.

bdp Venturis und die Central Advising Group sind strategische Partner und beraten europäische Unternehmen in China bei Finanzierungs- und Personalfragen aus einer Hand und damit optimal synchronisiert.

____Herr Bornemann, wie schätzen Sie als langjähriger Spezialist für Personalarbeit in Asien mit dem Schwerpunkt China die gegenwärtige Situation in China ein?

China ist seit einigen Jahren bereits ein Land voller Veränderungen! Hier spürt man nicht nur den Wandel, hier kann man ihn buchstäblich anfassen. Ich kenne kaum ein Land, das sich in den letzten Jahren an der Oberfläche einem so häufigen Update unterzogen hat und doch, und mich da bitte nicht falsch verstehen, im Inneren sehr stabil und traditionell geblieben ist.

____Was bedeutet dies für die Menschen in China und hier vor allem für die Arbeitnehmer?

Dieser permanente Wandel steckt natürlich nicht nur die dort lebenden Menschen an, sondern wird von ihnen aktiv mit vorangetrieben. Sie merken dies auch täglich an Kleinigkeiten: In China lebende Menschen ändern häufiger ihre Frisur, experimentieren mit Kleidungsstilen oder, und jetzt komme ich auf das Personalthema zurück, wechseln halt öfter ihren Arbeitgeber, um an diesem Wandel auch aus beruflicher Sicht noch besser teilhaben zu können.

____Welche Trends können Sie vor diesem Hintergrund im Personalmarkt China ausmachen?

Der wichtigste Trend und zugleich die größte Herausforderung für den chinesischen Personalmarkt sind die immer weiter steigenden Personalkosten für Unternehmen, mit denen die Qualität und die Produktivität der Arbeitnehmer nicht immer Schritt halten kann. Hier kommt es aus unternehmerischer Sicht zu einer immer größer werdenden Divergenz. Zugespitzt formuliert: Ich investiere als Unternehmen mehr und mehr in die Personalkosten, bekomme aber nicht die Leistung, die ich mir erhoffe und die ich auch benötige.

Es besteht ein Engpass an erfahrenen Fachkräften und internationalen Spezialisten, der dadurch verstärkt wird, dass auch chinesische Unternehmen immer internationaler werden und einen entsprechenden Personalbedarf entwickeln. Vor allem aber entwickelt der moderne chinesische Arbeitnehmer mehr und mehr das Bedürfnis nach seiner Chinabalance, also dem Ausgleich zwischen Beruf, sozialen Kontakten, vor allem mit der Familie, der eigenen Gesundheit und dem Willen zur Weiterentwicklung.

____Welche Ziele sollte ich mir daher als deutsches Unternehmen im Bezug auf meine Personalarbeit in China setzen und was geht oft schief?

Deutsche Unternehmen sollten in China einerseits eine Lokalisierung der Mitarbeiter und andererseits die Etablierung  einer konzeptionellen Personalarbeit anstreben, die klar auf China und die dortigen Mitarbeiter abgestimmt ist.

Bisher haben internationale Unternehmen in China oft nur schnell Mitarbeiter rekrutiert, gern mit den Sprachkenntnissen des Mutterhauses, und dann gehofft, dass diese dann ihren Arbeitgeber ähnlich begeisternd empfinden wie die Mitarbeiter an den Heimatstandorten. Und für alle weiteren Herausforderungen könne man dann, so der Irrglaube, auf kurzfristig aus Deutschland entsandte Mitarbeiter zurückgreifen. Dies hat meistens nicht oder nur eingeschränkt als Personalkonzept funktioniert. 

____Und Ihre Alternative ist konzeptionelle Personalarbeit. Was kann man sich darunter vorstellen?

Zuallererst braucht man für konzeptionelle Personalarbeit fachlich versierte Personaler oder Berater im chinesischen Unternehmen. Diese Stellen dürfen nicht,  wie so oft, Ruheposten für verdiente, aber ungeeignete Mitarbeiter sein oder mit Personen besetzt werden, die allein eine staatliche Vernetzung als Personalwissen einbringen.

Darüber hinaus darf man die einzelnen Teilbereiche der Personalarbeit wie die Rekrutierung nicht gesondert betrachten, sondern muss sie als integralen Teil eines Gesamtprozesses sehen.

Dieser Gesamtprozess erstreckt sich von der Mitarbeitergewinnung  über spezifisch chinesische Gehaltsmodelle und eine kontinuierliche Entwicklungsarbeit bis zur Etablierung von transparenten Qualifizierungsstufen.

____Worin unterscheidet sich Personalarbeit in China von der in Deutschland?

Es existieren gravierende Differenzen zwischen diesen kulturell doch sehr verschiedenen Ländern.

Beispielsweise fängt dies schon bei einer in China durch kulturelle Aspekte anders ausgeprägten Motivationsstruktur an.

An einem konkreten Beispiel festgemacht: Die Familie spielt in China nach wie vor eine wichtige Rolle, weil die Generationen untereinander sozial abhängig sind. Deshalb ist die Bereitschaft, den Arbeitsort entfernt von der Familie zu wählen, oft sehr gering.

Ein weiterer großer Bereich, in welchem großer Anpassungsbedarf besteht, ist der Bereich der Diagnostik in der Personalarbeit. Durch andere Wissensvermittlung und Lernsysteme in China greifen in Deutschland entwickelte Instrumentarien wie ein Assessment-Center oft ins Leere, wenn es um die bessere Einschätzung aktueller oder potenzieller Mitarbeiter geht.

____Was muss ich als Unternehmen also tun, um erfolgreich gutes und für mich passendes Personal zu gewinnen?

Entscheidend für den Erfolg ist hier zuerst eine konkrete Analyse meiner Erwartungshaltung an das Personal im Abgleich mit den lokalen Marktgegebenheiten.

China ist ein riesiges und kulturell verschiedenartiges Land, da helfen keine pauschalen Rezepte, sondern nur chinaspezifische Analysen und maßgeschneiderte Strategien in der Personalsuche. 

Wenig hilfreich ist es, ein standardisiertes Anforderungsprofil unreflektiert an möglichst viele Headhunter zu geben, in der Hoffnung, dass über die Masse irgendwo schon der richtige Kandidat dabei sein wird.

Die nächste Empfehlung ist es, sich definitiv als internationales Unternehmen proaktiv in unterschiedlichen und vor allem in China genutzten Kanälen auf die Suche nach geeignetem Personal zu machen und hier die wichtigste Chinatugend, nämlich Geduld walten zu lassen. Daher muss immer mehr Zeit als üblich für die Personalrekrutierung eingeplant werden!

Als dritten Erfolgsfaktor kann man in China vor allem auf die Notwenigkeit eines systematischen Rekrutierungsprozesses hinweisen,  an dessen Ende dann aber auch schnelle und von Vertrauen geleitete nachhaltige Entscheidungen stehen sollten.

____Was ist aus Ihrer Sicht wichtig für die Nachhaltigkeit der Personalbindung?

Zuerst bin ich der festen Überzeugung, dass man natürlich auch Mitarbeiter in China nachhaltig an ein Unternehmen mit deutschen Wurzeln binden kann, und dies fängt wie eben beschrieben schon bei der richtigen Rekrutierung an.

Grundsätzlich muss ich als internationaler Arbeitgeber in China das Gefühl von Sicherheit und Stabilität in Verbindung mit Entwicklung und Lernen schaffen.

Wichtig sind auch eine glaubwürdige Lokalisierung, eine starke und verantwortungsbewusste Führung mit Chinakenntnissen, angepasste Anreiz- und Vergütungsmodelle und Personalfeingefühl in der Berücksichtigung einer Chinabalance bei den Mitarbeitern.

____Was ist Ihr Fazit für eine erfolgreiche Personalarbeit deutscher Unternehmen in China?

Je besser alle Phasen der Personalarbeit Hand in Hand greifen, umso erfolgreicher und nachhaltiger wird man sein Team aufstellen können. Dies gilt mehr als anderswo auf der Welt in China. Die Integration von Personalgewinnung und Personalbindung halte ich daher für eine der wichtigsten Maßnahmen für die chinesische Personalarbeit.

Dies fängt wie beschrieben bei einer passenden Rekrutierung an, setzt sich mit auf China adaptierten Gehaltsmodellen fort und mündet in eine kontinuierliche Entwicklungsarbeit. Dabei kann einerseits der positive und flexible Lernwille in China permanent genutzt  werden und andererseits mit zu erklimmenden Qualifizierungsstufen die Motivation und damit die Loyalität zum Unternehmen auch langfristig aufrechterhalten werden.   

____Herr Bornemann, wir danken für dieses Gespräch!