Im Video-Call befragen wir bdp-Gründungspartner Dr. Michel Bormann zur aktuellen Lage infolge des Ukrainekriegs und wie bdp seinen Mandanten hilft.

Dr. Bormann, welche Folgen haben die aktuellen Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Weißrussland für den deutschen Mittelstand?

Auf den ersten Blick sind die Folgen nicht so groß, da es glücklicherweise gar nicht so viele direkte Lieferbeziehungen mit diesen beiden Ländern gibt. Aber indirekt bestehen natürlich sehr große Abhängigkeiten. Zuerst sind hier natürlich die russischen Rohstoffe zur Energieerzeugung zu nennen, die sich in immens steigenden Energiepreisen manifestieren, aber auch das Ausbleiben von Vorprodukten, die aus der Ukraine kommen sollten, was hier zu Stillständen bei der Produktion führten.

Können bestehende Lieferbedingungen und Zahlungsströme nach Russland, Weißrussland und in die Ukraine aufrechterhalten werden?

Ob es das kann, bleibt leider abzuwarten.

Welche Konsequenzen hat der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Abkommen?

Der Zahlungsverkehr wird zeitaufwendiger und langsamer. Künftig werden wieder wie früher Bankleitzahl und Kontonummer genutzt werden müssen.

Kann man sich gegen mögliche Zahlungsausfälle im Zuge der Wirtschaftssanktionen wappnen?

Da hilft nur eines: Vorkasse nehmen. Das ist das beste Mittel gegen Zahlungsausfall und spätere Anfechtung.

Zahlreiche Unternehmen haben noch nicht einmal die Folgen der Corona-Pandemie verdaut. Nun ist nahtlos die nächste Krise da, die für wirtschaftliche Turbulenzen sorgt. Können Mittelständler bei solch aufeinanderfolgenden Krisen in diesen Dimensionen überhaupt noch das Überleben ihrer Firma sichern?

Zunächst einmal bedeutet das, weiterhin vorsichtig zu navigieren und Liquiditätsreserven zu bilden. Liquidität zu sichern ist das Hauptgebot! Es gibt Zuschüsse wie die Überbrückungshilfe IV, KfW-Darlehen, syndizierte Debt-Fonds oder Landesbürgschaften. Bis Ende April 2022 können auch noch Mittel aus dem Wirtschaftsstablisierungsfonds (WSF) beantragt werden. Ein guter CFO oder Berater kennt dieses Repertoire.

Daneben gibt es aber noch weitere Möglichkeiten wie etwa Verhandlungen mit dem Auftraggeber zu einer Beteiligung an den Energiekosten, wie es zum Beispiel aktuell Speditionen oder Automotiv-Zulieferer machen. Daneben geht es darum, Zahlungsziele zu verlängern oder zu verkürzen. Oder man muss mit der Bank sprechen, um beispielsweise den Tilgungsrahmen zu halbieren. Auch intern gibt es noch Einsparungsmöglichkeiten, um zahlungsfähig zu bleiben.

Welche wären das?

Der Liquiditätsabfluss muss gestoppt werden. Jede Bedarfsmeldung ab 5.000 Euro sollte durch den CFO genehmigt werden. Hiermit kommt durchaus noch eine Menge Holz zusammen.

Wenn das alles nichts hilft, bleibt dann nur der Gang in die Insolvenz?

Soweit muss es nicht gleich kommen. Immerhin gibt es ja seit letztem Jahr das sogenannte StaRUG, das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen. Mit dem neuen Gesetz kann eine Restrukturierung präventiv und außerhalb einer Insolvenz erfolgen (bdp aktuell 178).

Konkret bedeutet das, im Rahmen eines Vergleichsverfahrens vor Gericht eine Teilentschuldung mit den Gläubigern zu erreichen. Der Vorteil ist, dass ein solches Verfahren nicht im Handelsregister erscheint und das Unternehmen somit weiter ein seriöser und zuverlässiger Geschäftspartner bleibt.

Es muss allerdings frühzeitig und präventiv auf mögliche Liquiditätsengpässe reagiert werden. Wir sehen hier aber, dass es bislang wenige Fälle gibt, wo diese neuen Instrumente in der Praxis angewendet werden. Aber das kann sich ja ändern.

Wie spürt bdp derzeit die Krise bei den Mandanten?

Wir haben leider festgestellt, dass Unternehmen, die schon durch Corona geschwächt waren oder die in energieintensiven Branchen tätig sind, auf der Intensivstation liegen. Wir erstellen derzeit wieder verstärkt Sanierungsgutachten und Fortführungsprognosen, die die Grundlage für die harten Verhandlungen mit Banken, Kunden und Lieferanten, aber auch staatliche Institutionen bilden. Damit kann es gelingen, die Unternehmen durch die nächste harte Krise zu führen.

Dr. Bormann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.