Noch haben CDU und SPD nicht an der Steuerschraube gedreht. Aber das wird sich vermutlich schon ab 2015 ändern

Eigentlich verspricht die schwarz-rote Koalition, die Steuern nicht erhöhen zu wollen – zumindest vorerst nicht. Trotzdem werden die Industrie, der Mittelstand und die Verbraucher mit Milliarden von Euro belastet.

Für die neuen Projekte der Großen Koalition besteht angeblich ein finanzieller Spielraum im Umfang von 23 Mrd. Euro. Die Vorhaben der künftigen Regierung sind aber deutlich teurer. Belastungen drohen vor allem den Sozialkassen. Das trifft Arbeitnehmer und Arbeitnehmer gleichermaßen.

Mindestlohn: 8,50 Euro

Zu den kostspieligsten Projekten der künftigen Großen Koalition zählt der Mindestlohn. Spätestens ab dem Jahr 2017 soll jeder Arbeitnehmer mit 8,50 Euro pro Stunde bezahlt werden. Vereinfacht gerechnet bedeutet dies bei einer 40-Stunden-Woche ein monatliches Bruttogehalt von 1.360 Euro. Den Preis dafür zahlen vor allem die Verbraucher und kleinere Gewerbe. Denn betroffen insbesondere einfachere Tätigkeiten wie die der Küchenhilfe im Restaurant oder der Aushilfskraft im Friseurladen. Mittelständische Unternehmen dürften dagegen durch den Mindestlohn weniger belastet werden, da sie in der Regel höher qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Diese werden ohnehin schon besser entlohnt. Dennoch schlägt der Mindestlohn nach internen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums außer bei den Lohnkosten der betroffenen Unternehmen auch noch mit 0,6 Prozent höheren Sozialversicherungsbeiträgen zu Buche.

Rente mit 63

Nach den Plänen von Schwarz-Rot sollen künftig Arbeitnehmer bereits mit 63 Jahren in Rente gehen – und zwar ohne Abschläge, wenn sie bis dahin 45 Arbeitsjahre geleistet haben. Hier kalkuliert das Bundesfinanzministerium mit einer Mehrbelastung der Sozialkassen von 0,3 Prozent. Vor allem aber stehen den Unternehmen weniger gut qualifizierte und arbeitsfähige Mitarbeiter zur Verfügung. Angesichts der ungünstigen demografischen Entwicklung und des bereits heute bestehenden Fachkräftemangels bedeutet dies eine spürbare Belastung der Unternehmen. Da mittelständische Firmen mit großen Konzernen um Fachkräfte konkurrieren, sind sie in besonderem Maße von der Rente mit 63 betroffen.

Mütterrente

Union und SPD sind sich zudem weitgehend darüber einig, dass ältere Mütter besser gestellt werden sollen. Bisher ist es so, dass Mütter, die nach 1992 ein Kind auf die Welt gebracht haben, drei Erziehungsjahre pro Kind angerechnet bekommen. Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, gibt es nur ein Erziehungsjahr. Diese ungerechtfertigte Ungleichbehandlung will die Große Koalition nun ausräumen. Jedes Jahr, das älteren Müttern zusätzlich angerechnet wird, kostet in etwa 6,5 Mrd. Euro pro annum.

Die entsprechende Finanzierung ist noch nicht endgültig geklärt. Eigentlich sind die Rentenkassen derzeit so gut gefüllt, dass sogar eine Beitragssenkung ansteht. CDU/CSU und SPD wollen aber das Geld lieber bunkern und den Beitragssatz zur Rentenversicherung festschreiben. Unabhängig davon, ob die Finanzierung der Mütterrente über die Sozialversicherungsbeiträge stattfindet oder später doch zumindest teilweise über höhere Steuern finanziert wird, sie belastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Einkommenssteuer

Hier bleibt alles beim Alten – zumindest weitgehend. Die von der SPD geforderten Steuererhöhungen sind erst einmal vom Tisch. Bislang liegt der Höchstsatz der Einkommenssteuer bei 45 Prozent und greift bei Ledigen ab einem Einkommen von 250.000 Euro. Der Spitzensteuersatz gilt unter anderem für gut verdienende Selbstständige und Personengesellschaften und damit auch für einen Teil des deutschen Mittelstands. Hier gilt erst einmal Entwarnung. Gleichzeitig fällt aber auch der schon längst fällige Abbau der kalten Progression, auch Mittelstandsbauchs genannt, flach. Da die Einkommenssteuersätze nicht an die Preissteigerung angepasst werden, hat ein Arbeitnehmer bei einer Lohnerhöhung, die nur der Geldentwertung entspricht, netto weniger in der Tasche als vorher. Da allerdings derzeit die Inflation niedrig ist und die Grundfreibeträge angehoben werden sollen, sind die finanziellen Belastungen der kalten Progression vorerst überschaubar.

Steuer auf Flugtickets wird nicht gestrichen

Die eigentlich geplante Abschaffung der umstrittenen Steuer auf Flugtickets fällt unter den Tisch. Ihre Streichung taucht im Koalitionsvertrag nicht mehr auf. Somit werden für innerdeutsche und innereuropäische Flüge weiter 7,50 Euro je Ticket fällig. Bei Mittelstrecken kassiert der Fiskus 22,43 Euro und bei Langstrecken 42,18 Euro je Flug. Die Steuer verteuert Geschäftsreisen auf Kosten der Unternehmen. Zudem ist zu befürchten, dass vor allem Vielflieger in grenznahen Regionen auf Airports im benachbarten Ausland ausweichen. Dies belastet vor allem kleinere Flughäfen in Grenzregionen und Regional-Airlines.

Abgeltungssteuer bleibt bei 25 Prozent

Bei der Abgeltungssteuer kommt es vorerst nicht zu einer Erhöhung. Hier wollten die Sozialdemokraten ursprünglich den Satz von derzeit 25 auf 32 Prozent (plus Solidaritätszuschlag und etwaiger Kirchensteuer) heraufsetzen. Dies hätte die freiwillige private Altersvorsorge noch weiter torpediert. Allerdings wird auf EU-Ebene noch immer über die Einführung der umstrittenen Finanztransaktionssteuer verhandelt. Für Anleger gilt somit noch keine Entwarnung.

Ergänzen, Drucken, Unterschreiben

Die Finanzämter sollen künftig so genannte vorausgefüllte Steuererklärungen elektronisch bereitstellen. Ziel ist es, die Steuererklärungen zu vereinfachen und den bürokratischen Aufwand zu vermindern. Daneben könnte die Anzahl der Finanzbeamten verringert werden und mehr Personal in die Betriebsprüfung gehen. Vereinfacht gesagt sollen die Finanzämter die Steuererklärungen mit den vorliegenden Datensätzen (z. B. Lohnangaben, Rentenbezüge, Krankenversicherungen) ausfüllen und den Steuerpflichtigen elektronisch bereitstellen. Diese müssen die Steuererklärungen dann nur noch ergänzen, ausdrucken, unterschreiben und an das Finanzamt zurückschicken bzw. elektronisch übermitteln. Die neue Regelung soll das erste Mal für den Veranlagungszeitraum 2017 gelten, für Rentner und Pensionäre allerdings schon zwei Jahre früher. Eine noch deutlich größere Vereinfachung würde die künftige Regierung vor allem dann erzielen, wenn die Steuergesetzgebung selbst entschlackt würde.

An der Gewerbe-, Erbschafts- und Grundsteuer will die Koalition festhalten.

Verschärfung der Selbstanzeige

Schließlich werden für Steuersünder möglicherweise die Regeln für die strafbefreiende Selbstanzeige verschärft. Künftig könnte die Wirkung der Selbstanzeige davon abhängen, ob die Angaben zu den vergangenen zehn Jahren vollständig sind. Bislang gilt ein Zeitraum von fünf Jahren. Hier ist allerdings noch offen, ob es eine Änderung gibt.

Keine Steuererhöhungen?

Die geplanten Projekte wie der Ausbau von Krippen und Kitas oder Investitionen in die Verkehrswege stehen ausdrücklich nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Das bedeutet, sie werden umgesetzt – unabhängig davon, ob genug Geld vorhanden ist oder nicht. Angeblich besteht bis zum Jahr 2017 ein Finanzierungsspielraum von rund 23 Mrd. Euro. Dies setzt aber voraus, dass die Konjunkturprognosen der Regierung auch eintreffen und die Steuereinnahmen weiter kräftig fließen. Ist das nicht der Fall, sind Steuererhöhungen durchaus noch möglich, denn ab dem Jahr 2015 sollen keine neuen Schulden gemacht werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon gesagt: „Ich kann die Zukunft nicht voraussagen.“

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