Der Fiskus macht bei der Behandlung von Abschlagszahlungen bei Werkverträgen eine Rolle rückwärts

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 15.03.2016 überraschenderweise ihre Rechtsauffassung zur Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen für Werkverträge geändert. In Ausgabe 121 vom September 2015 berichteten wir, dass der Bundesfinanzhof und das Bundesfinanzministerium handelsrechtliche Grundsätze auf den Kopf gestellt hatten. Demnach sollten Gewinne bereits zu dem Zeitpunkt realisiert werden, an dem der Anspruch auf die Abschlagszahlung vorliegt. Handelsrechtlich war die Gewinnrealisierung erst zum Zeitpunkt der Übergabe und der Abnahme des Werks vorzunehmen.

Im Urteil vom 14.05.2014 hatte der BFH entschieden, dass Gewinne aus erhaltenen Anzahlungen bzw. gestellten Abschlagsrechnungen für einzelne Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI, hier: § 8 Abs. 2 HOAI a. F.) bereits zu dem Zeitpunkt, an dem ein Anspruch auf Abschlagszahlung vorliegt, zur sofortigen Gewinnrealisierung führen. Die Finanzverwaltung teilte die Auffassung des BFH und weitete diese Überlegungen der BFH-Rechtsprechung generell auf alle Werkverträge nach § 632a HGB aus.

Dadurch wurde große Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Bilanzierern ausgelöst, insbesondere im Baugewerbe und Anlagenbau. Umfang und Intensität der Kritik an dieser verwaltungsseitigen Auffassung machten schnell deutlich, dass die Praxis mit dieser steuerbilanziellen Behandlung von Abschlagszahlungen wegen der dadurch auftretenden Widersprüchlichkeit zur Gewinnrealisierung im Handelsrecht nicht einverstanden war.

Offenbar hat die breite Kritik in den Fachkreisen der Wirtschaft ein Umdenken der Finanzverwaltung bewirkt. Im Rahmen der Bund-Länder-Besprechung wurde klar, dass die Praxisprobleme bei der Umsetzung gewinnrealisierender Abschlagszahlungen mit einer zeitlich begrenzten Übergangsregelung allein nicht zu lösen sind. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder teilt das BMF mit Schreiben vom 15.03.2016 nun mit, dass lediglich die Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI a. F. zur sofortigen Gewinnrealisierung führen. Im Umkehrschluss lösen Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2 HOAI n.F. und Werkverträge nach § 632a HGB keine Gewinnrealisierung aus. Sie bleiben, was sie handels- und steuerrechtlich immer waren: erfolgsneutrale „erhaltene Anzahlungen“ auf schwebende Geschäfte. Die Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für steuerbilanzielle Zwecke wird damit im Hinblick auf das Realisationsprinzip zutreffend umgesetzt.

Damit dürfte sich das befürchtete Streitfeld mit der Finanzverwaltung bei Abschlagszahlungen und Abgrenzungsproblemen, abgesehen von den Sonderfällen bei Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI a. F., erledigt haben. Konkret betroffen sind nur solche Leistungen, die bis zum 17.08.2009 vertraglich vereinbart wurden. Es wird zugelassen, dass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 14.05.2014 erst in dem Wirtschaftsjahr angewendet werden, das nach dem 23.12.2014 beginnt. Hier ist eine Verteilung des Gewinns auf maximal drei Jahre möglich.

Insgesamt zeigt das neue BMF-Schreiben vom 15.03.2016 einen vernünftigen und vorausschauenden Meinungswandel der Verwaltung.