Das deutsche Steuersystem bleibt auch 2011 so kompliziert wie eh und je. Die Situation zum Jahreswechsel.

Die schwarz-gelbe Koalition tritt steuerpolitisch auf der Stelle. Aufgeschoben sind die Pläne für eine Vereinfachung des Steuerrechts, eine Reform des Umsatzsteuerrechts, eine Neuregelung der Gemeindefinanzen und Innovationen beim E-Government. Für die steuerliche Situation zum Jahreswechsel 2010/11 entfalten aber ältere Gesetze jetzt ihre volle Wirkung.

Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Geringwertige Wirtschaftsgüter

Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz bietet für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) ab 01.01.2010 neben der Sofortabschreibung (bis 150 Euro) und der Poolabschreibung (über 150 bis 1.000 Euro) zusätzlich für GWG im Wert von über 150 bis 410 Euro (wieder) die Möglichkeit der Sofortabschreibung und für GWG von über 410 bis 1.000 Euro (wieder) die Möglichkeit, sie über Nutzungsdauer abzuschreiben.

Es wurde also ein Wahlrecht je Wirtschaftsgut geschaffen. Die Sammelpostenabschreibung kann aber pro Wirtschaftsjahr nur einheitlich ausgeübt werden. Wer sich also für die Poolabschreibung entscheidet, kann gleichzeitig weder Sofortabzug noch die Abschreibung über die Nutzungsdauer nutzen. Umgekehrt gilt: Wer Sofortabzug und Abschreibung über die Nutzungsdauer nutzt, kann keinen Sammelposten bilden. Weil für die Sofortabschreibung für GWG zwischen 150 und 410 Euro ein gesondertes Anlagenverzeichnis zu führen ist und das Wahlrecht ja ausgeübt wird, wenn die (Steuer-)Bilanz aufgestellt wird, kann es nötig sein, alle Zugänge komplett neu zu erfassen. Offen ist auch die Frage, ob der Stetigkeitsgrundsatz es erlaubt, das Wahlrecht in der Handelsbilanz jedes Jahr anders auszuüben.

Mantelkauf

Durch die Sanierungsklausel des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes sind gewisse Erleichterungen eingeführt worden, um Unternehmen in der Sanierung zu ermöglichen, neue Gesellschafter aufzunehmen, ohne die Verlustvorträge zu verlieren (vgl. bdp aktuell 60 und 68). Die Europäische Kommission hat gegen diese Sanierungsklausel jedoch ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet, sodass sie von der Finanzverwaltung bis zu einem abschließenden Beschluss der Kommission nicht mehr angewendet wird (bdp aktuell 68).

BilMoG

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz gilt für die nun anstehenden Jahresabschlüsse 2010.

Jahressteuergesetz 2010

Man kann das Jahressteuergesetz 2010 als eine Art „Nichtanwendungsgesetz“ bezeichnen, denn es kassiert eine Reihe von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) durch gesetzliche „Klarstellungen“ setzt aber Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) um.

Teilabzugsverbot: Der BFH hatte entschieden, dass Verluste, die durch Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft entstanden sind, dann in voller Höhe abgesetzt werden können, wenn es zuvor keinerlei Ausschüttungen gegeben hat. Jetzt wird per Gesetz ab 01.01.2011 das Teil- bzw. Halbeinkünfteverfahren festgeschrieben, wenn nur die Absicht zur Erzielung von Einnahmen besteht.

Erstattungszinsen bleiben weiterhin steuerpflichtig. Gegen ein Urteil des BFH (bdp aktuell 67) wird nun „klargestellt“, dass Zinsen, die das Finanzamt aufgrund von Einkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt, weiterhin der Einkommensteuer unterliegen und Nachzahlungszinsen an das Finanzamt weiterhin steuerlich nicht berücksichtigungsfähig sind.

Wegen eines Urteils des BFH, das Verluste, die aus dem Wiederverkauf eines Autos entstanden sind, als Spekulationsverluste anerkannt hatte, schafft der Gesetzgeber die Steuerpflicht für Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs ab. Als Ausnahme gelten eine zeitnahe Veräußerungsabsicht bei Erwerb der Gegenstände sowie die Veräußerung von Antiquitäten, Kunstgegenständen und Oldtimern.

Für häusliche Arbeitszimmer folgt der Gesetzgeber dem Bundesverfassungsgericht: Das hatte das Abzugsverbot dann für verfassungswidrig erklärt, wenn sonst kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Für diesen Fall können nun rückwirkend ab 01.01.2007 wieder bis zu 1.250 Euro im Jahr geltend gemacht werden. Wem ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, geht weiterhin leer aus.

Haushaltsnahe Dienstleistungen können zukünftig nicht mehr steuermindernd angesetzt werden, wenn dafür Zuschüsse aus Förderprogrammen in Anspruch genommen werden.

Der Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer, die im Rahmen der Abgeltungssteuer erhoben wurde, entfällt.

Bei der Umsatzsteuer wird der Leistungsort für kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen dann geändert, wenn die Leistung an einen Unternehmer erbracht wird. Er ist zukünftig der Sitz des Leistungsempfängers. Bei Nicht-Unternehmern bleibt es beim Ort der Leistungserbringung.

Das Seeling-Modell (so genannt nach dem 2003 erfolgreichen Kläger vor dem EuGH) wird abgeschafft: Danach war es möglich, bei gemischt genutzten Neubauten, die Vorsteuer für das komplette Gebäude, also auch für den privat genutzten Teil, abzuziehen. Das geht nun nur noch für den unternehmerisch genutzten Teil.

Bei der Erbschaftsteuer werden einem Verfassungsgerichtsurteil folgend gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Eheleuten gleichgestellt.

Steuervereinfachung

Die für Anfang 2011 angekündigten Steuervereinfachungen bedeuten keineswegs eine unmittelbare finanzielle Entlastung. Es sind im Wesentlichen Vereinfachungen bei der Bearbeitung und Erklärung von Steuern zu erwarten.  In der Diskussion sind:

  • vorausgefüllte Steuererklärung vom Finanzamt
  • Wahlrecht zu einer Steuerveranlagung alle zwei Jahre
  • Begrenzung auf vier Varianten bei Ehegattenveranlagung
  • Kinderbetreuungskosten unabhängig von Tätigkeit der Eltern
  • Pendlerpauschale: Wegfall der tageweisen Günstigerprüfung
  • Keine Einkommensprüfung mehr für Kindergeld
  • Anhebung der Pauschbeträge für Behinderte
  • Vorsteuerabzug auch bei elektronischen Rechnungen ohne Signatur
  • Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte nur bei „wesentlichen und aufwändigen“ Fällen

E-Government

Alle Steuerfälle sollen elektronisch übermittelt werden, um dann bis zur Hälfte davon völlig automatisiert zu bearbeiten. Damit wird auch eine problematische Rasterfahndung etabliert, bei der die Steuerfälle in Risikoklassen eingeteilt werden (bdp aktuell 59).

Die eigentlich für 2011 geplante Pflicht zur elektronischen Übermittlung der (Steuer-)Bilanzen wurde auf 2012 verschoben, weil die Verfahrensumstellung zu kompliziert ist. Aber schon 2011 wird die Lohnsteuerkarte entfallen. Es gelten zunächst die Steuerkarten von 2010 weiter. Ab 2012 sollen dann die Steuermerkmale der Arbeitnehmer bei einem Zentralregister mit der jeweiligen Steuer-Identifikationsnummer abgerufen werden können.

Umsatzsteuerreform

Bei der Reform des Umsatzsteuerrechts gilt die sichere Prognose, dass es zu einer kompletten oder weitgehenden Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes nicht kommen wird. Allenfalls eine Beseitigung der gröbsten Unstimmigkeiten in diesem Katalog ist zu erwarten. Ob dabei auch die viel gescholtene Hotelbegünstigung wieder (elegant) entsorgt wird, bleibt abzuwarten.

Reform der Gemeindefinanzen

Aufgrund politischer Befindlichkeiten ist nicht zu erwarten, dass die Gewerbesteuer abgeschafft wird.