Wenn systematisch, schnell und umsichtig gehandelt wird, lassen sich auch aus der Insolvenz heraus Investoren finden

Weil der Markt für Unternehmensnachfolgen und Unternehmensverkäufe (M&A) seit 2008 massiv zurückging, war es in den letzten zwei Jahren schon nicht einfach, ein „normales“ Unternehmen – ohne Krise, Sanierungsbedarf oder gar Schlimmeres – zu veräußern. Der Verkauf eines echten Krisenunternehmens oder eines Unternehmens aus der Insolvenz ist sicherlich von Natur aus noch schwerer. Dennoch können bei einer guten Vorbereitung auch in solchen aus der Not geborenen Verkäufen (Distressed M&A) in kurzen Zeiträumen Erfolge errungen werden.

Bestandsaufnahme

Als Erstes muss eine sorgfältige Bestandsaufnahme erfolgen. Erfolgreiche Unternehmensverkäufe in diesem Segment unterscheiden sich von Flops davon, dass zunächst ganz systematisch geklärt wird, was überhaupt verkauft werden soll. Ist es tatsächlich die bisherige Gesellschaft? Oder werden im Rahmen eines sogenannten Asset Deals nur die Vermögensgegenstände veräußert? Dann muss geprüft werden, ob sämtliche Vermögensgegenstände übertragen werden oder ob ein Teil oder Teilbetrieb zurückbleibt und an andere Investoren geht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesen ersten Tagen ist es, möglichst Rechtssicherheit darüber zu erlangen, ob die zu veräußernden Vermögensgegenstände mit Rechten Dritter belegt sind, die eine Transaktion letztendlich komplett zu Fall bringen könnten. Unsaubere Recherche rächt sich später bitter!

Entwicklung der Idealgesellschaft

Obwohl zum Beginn des Projekts noch unklar ist, wer schließlich der Investor sein wird, muss ein gewisses „greifbares“ Gebilde geformt und letztendlich dargestellt werden. Dies bedeutet, dass für den zu veräußernden Teil eine unternehmerische Fiktion (momentan gibt es ja gar keine Rechtsform) geschaffen wird und eine möglichst realistische Umsatz- und Ertragsplanung dargestellt wird, die von der Liquiditätsseite her zumindest den für das geplante Umsatzgeschäft notwendigen Working-Capital-Bedarf ermittelt, um seriös zu sein und der späteren Due Diligence der potenziellen Investoren standhalten zu können.

Hierzu bedarf es Kenntnisse des Marktes, in dem sich die Gesellschaft bewegt und bewegen wird sowie Know-how über deren Produkte. Es erleichtert die Arbeit sehr, wenn hier der Berater ein Research-Team vorhält und die vor Ort eingesetzten Berater möglichst noch Zugriff auf die Führungskräfte des Unternehmens haben. Dies erfordert Einfühlungsvermögen, denn nicht selten ist die im Insolvenzverfahren noch verbliebene Mannschaft verunsichert, was ihre eigene Zukunft angeht.

Infomemorandum

Die Erstellung des Infomemorandums erfolgt dann auf Basis der genannten Grundlagen, wobei selbstverständlich darauf zu achten ist, nicht schon hier marktrelevante Details bekannt zu geben, mit denen sich später sogenannte „Pseudo-Interessenten“ Zugang und Kenntnis über relevante Aufträge verschaffen können.

Noch anders als beim „normalen“ M&A-Geschäft gilt für die Distressed M&A-Deals: Geheimhaltung und Geschwindigkeit! Diese beiden „Gs“ sind extrem wichtig für den Erfolg. Nicht selten ist das einzig wirklich interessante Asset bei Distressed M&A das vorhandene Kundengeflecht und das Know-how sowie Aufträge. Gehen diese erst einmal an Wettbewerber verloren, bleibt kein interessanter Kern zum Verkaufen mehr übrig. „Ton, Steine, Erden“ findet man in der aktuellen Krisensituation ja nur all zu oft am Wegesrand. Das sind aber keine interessanten Verkaufsobjekte mehr. Um also den Wert des zu veräußernden Gebildes zu erhalten, muss schnell und umsichtig gehandelt werden.

Investorensuche

Wie beim normalen M&A wird, möglichst gemeinsam mit der Research-Abteilung und den Branchenkennern, zunächst eine Longlist von potenziellen Investoren erstellt. Hierbei gilt der Blick sowohl strategischen Investoren, denen das Kerngeschäft wichtig ist, als auch Finanzinvestoren. Das in den letzten Monaten häufig zu hörende Gerücht „Finanzinvestoren scheiden in der aktuellen Situation in Deutschland als Käufer für Distressed M&A aus“, ist eindeutig falsch. Wir haben in unserer Praxis in den letzten sechs Monaten bereits mehrere Fälle erfolgreich begleitet, bei denen letztendlich der Hauptinvestor aus dem Finanzsektor kam.

Dennoch bleiben die Strategen naturgemäß extrem wichtig und müssen zunächst intern beurteilt werden: Können sie den zu verkaufenden Standort erhalten (was meist auch für den Insolvenzverwalter eine sehr wichtige Nebenbedingung sein kann), wollen und können sie mit der Produktpalette arbeiten oder wollen sie lediglich einen bislang unliebsamen Wettbewerber durch Kauf und Schließung vom Markt nehmen und somit eine gewisse Marktbereinigung durch Zahlung eines Kaufpreises beschleunigen?

Diese Longlist sollte dann mit dem Insolvenzverwalter und ggf. im Management besprochen werden. Bei letzterer Option ist natürlich zu prüfen, ob dies im Falle von Distressed M&A sinnvoll ist, denn dann, wenn beispielsweise das Management aus Angst um die eigenen Arbeitsplätze bewusst falsche Informationen streuen sollte, muss man sich von diesen Einflüssen freimachen.

Die schließlich auf der Liste übrig bleibenden potenziellen Investoren sollten dann zügig angeschrieben werden. Sehr häufig ist mittlerweile ein Verkauf nur noch international möglich, sodass zumindest eine englische, wenn nicht sogar eine französische Version des Infomemorandums vorliegen muss.

Sodann muss hinterher telefoniert werden: Das ist eine oft undankbare Aufgabe, denn man muss sich letztendlich fast wie beim „Klinkenputzen“ an die zuständigen Ansprechpartner heranarbeiten. Aber die beiden „Gs“ machen einen besonderen Einsatz notwendig!

Unterlagen für Investoren

Sofern einzelne Investoren Interesse gezeigt haben, muss zunächst eine Vertraulichkeitserklärung abgeschlossen werden, bevor weitere Unterlagen herausgegeben werden können. Meist umfassen diese dann nach dem Infomemorandum erweiterte Informationen über das zu veräußernde Unternehmen bzw. dessen Wirtschaftsgüter. Hier muss schon eine relativ detaillierte Beschreibung erfolgen, wobei jedoch stets peinlichst darauf zu achten ist, dass nicht auftragsrelevante Einzelheiten offenbart werden.

Besuche im Unternehmen

Dieses Thema hat eine besondere Brisanz, weil der Verkaufsprozess ja unter einem enormen Zeitdruck stattfindet. Etliche Interessenten wollen zunächst das Unternehmen oder die Wirtschaftsgüter in Augenschein nehmen. Hier empfiehlt es sich, diesen „Besuchstourismus“ zu filtern und zu analysieren, denn nicht hinter jedem potenziellen Investor steckt auch seriöses Kaufinteresse. Sehr häufig sollen einfach nur Informationen abgeschöpft werden. Insofern empfehlen wir, dass zunächst jeder potenzielle Investor seine geplante Strategie für das Unternehmen darlegt und im Idealfall bereits eine sogenannte „Non Binding Offer“ abgibt.

Hiernach sollte dann entschieden werden, welcher der Kandidaten in die nähere Auswahl kommt. Im besten Fall hat man dann eine „Endrunde“ mit drei bis fünf wirklich interessierten und interessanten Kaufkandidaten.

Due Diligence

Für diese letzten wirklich ernsthaften Kandidaten muss dann eine entsprechende Datensammlung für deren Due Diligence zusammengestellt werden. Immer ist darauf achten, dass etliche Schwärzungen, Aggregierungen und Zusammenfassungen erfolgen, um auch in diesem Stadium dem „Datenklau“ einen Riegel vorzuschieben.

Die Due Diligence unterscheidet sich natürlich von der in einem „normalen“ M&A-Prozess, da bei einem Asset-Kauf in der Regel ja keinerlei Verbindlichkeiten mit übernommen werden. Dieses Thema ist erfahrungsgemäß gerade ausländischen Investoren schwer vermittelbar. Hier muss dann mit einfühlsamer Härte klar gemacht werden, dass eben nicht, wie sonst üblich, ein längerer Zeitraum für die Due Diligence eingeräumt werden kann, sondern das Prozedere in ein bis maximal zwei Tagen durchgeführt werden muss. Gerade mit amerikanischen oder asiatischen Investoren werden hierüber diverse, teilweise anstrengende Telefonate zu in Deutschland sehr gewöhnungsbedürftigen Zeiten zu führen sein.

Der Due-Diligence-Prozess selbst muss eng begleitet werden. Dem verständlichen Wunsch der Investoren, möglichst alleine mit dem Management zu sprechen, sollte man aus taktischen Gründen nicht folgen, sondern stets eine sozialkompetente Person des M&A-Teams mit bei den Besprechungen haben.

Auswahl

Um den Prozess zu beschleunigen, sollte man eine Abgabefrist für die Angebote vereinbaren und diese auch recht deutlich kundtun, damit sie als echte Frist auch erkannt wird. Viele Investoren meinen, immer noch das eine oder andere klären zu wollen oder zu müssen und zögern dann, bewusst oder unbewusst, den Prozess immer weiter hinaus. Hier ist das Geschick des M&A-Teams gefragt, diesen Bremsmanövern wirksam zu entgegnen.

Wenn die Angebote dann vorliegen, müssen diese gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter anhand eines zuvor sorgfältig erstellten Kriterienkatalogs überprüft werden, denn trotz präziser Vorgaben, wie ein Angebot auszusehen habe, wird dies bei internationalen Investoren sehr häufig nicht in der geforderten oder erbetenen Form vorgelegt! Die einzelnen Parameter müssen also neutral ermittelt und ausgewertet werden, damit dem Insolvenzverwalter ein Vorschlag unterbreitet werden kann, welches Angebot die meisten Vorteile bietet.

Die Fallstudie der Sphairon Access Systems GmbH zeigt eindrucksvoll, wie auch in der schwierigen Situation des Jahres 2010 ein produzierendes Unternehmen in Deutschland mit rund 200 Mitarbeitern innerhalb von drei Monaten erfolgreich veräußert werden kann.