Die Wahrscheinlichkeit für einen harten No-Deal-Brexit steigt. Nun stellt sich für Sie die Frage, wie Sie Ihr Unternehmen und Ihre Verträge rechtlich „Brexit-fest“ machen können.

Die politische Ausgestaltung des Austritts von Großbritannien aus der Europäischen Union ist zwar ungewiss, jedoch lässt sich mit größter Wahrscheinlichkeit sagen: Der Brexit kommt nach Lage der Dinge in seiner harten Variante. Dabei stellt sich für Sie die Frage, wie Sie Ihr Unternehmen und Ihre Verträge rechtlich „Brexit-fest“ machen können.

Für die meisten Unternehmen ergibt sich die Relevanz dieser Frage insbesondere hinsichtlich Kauf- und Lieferverträgen. Diese sind innerhalb der EU u. a. durch die Warenverkehrsfreiheit und dem Verbot der Ein- und Ausfuhrzölle besonders geschützt. In Bezug auf eine rechtliche Beurteilung sind die Kauf- und Lieferverträge je nach Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unterschiedlich zu betrachten: Zum einen die zukünftig zu schließenden Verträge nach dem offiziellen Austritt von Großbritannien am 29. März 2019. Zum anderen die bereits vor dem Austrittsdatum geschlossenen Verträge, die ggf. sogar mit längerer Laufzeit bestehen. 

Zukünftige Verträge nach dem Brexit

Die zukünftige Vertragsausgestaltung hängt vor allem davon ab, wie der Brexit letztendlich verlaufen wird. Überall kann man Theorien über verschiedene „Brexit-Szenarien“ lesen. Ob die Übergangsphase in Kraft tritt (es bedarf einer gemeinsamen Lösung bis zum Oktober 2018!), ob eine Freihandelszone oder Zollunion gebildet wird; diese Fragen sind und bleiben zunächst ungewiss. Im schlimmsten, aber leider auch wahrscheinlichsten Fall kommt kein Austrittsabkommen zustande. Dann käme es zu einem ungeordneten Austritt, also einem harten Brexit. In dieser Situation würde sich ein WTO-Drittländer-Verhältnis bilden, sodass ab dem Austrittsdatum im März 2019 die WTO-Regelungen im Waren- und Dienstleistungsverkehr gelten: Großbritannien fällt sofort aus dem Binnenmarkt heraus, Zölle werden eingeführt und es gibt keinen freien Waren- und Dienstleistungsverkehr. 

Preise, Kosten und Risikoverteilung strenger verhandeln

Der harte Brexit würde die wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich belasten. Dies sollte dementsprechend bei Ausgestaltung neuer Verträge beachtet werden: Preise, Kosten und Risikoverteilung sollten im Hinblick auf die etwaigen neuen Zölle strenger ausgehandelt werden. Ob dies durch eine Einzelregelung im Vertrag oder Aufnahme von Incoterms erfolgen sollte, ist schließlich Verhandlungssache. 

Besonderes Augenmerk auf Gerichtsstand legen

Weiterhin sollte ein besonderes Augenmerk auf die Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung gelegt werden. Bisher umfasst das englische Recht auch das EU-Recht. Nach dem Austritt aus der EU wäre das nicht mehr der Fall. Das birgt einige Gefahren in sich, und deshalb sollte von der Vereinbarung des englischen Rechts abgesehen werden. Auch das UN-Kaufrecht als sonst praktikable Ausweichoption kann leider nicht vereinbart werden, da Großbritannien kein Vertragspartner ist. Vorteilhaft wäre also die Vereinbarung des deutschen Rechts, wobei es wieder auf das Geschick bei den Verhandlungen ankommt. 

Gerichtsurteile könnten nicht mehr vollstreckt werden

Bisher können Gerichtsurteile aus Großbritannien oder Deutschland ohne gesonderte Vollstreckbarkeitserklärung in jedem Mitgliedsstaat der EU vollstreckt werden. Nach dem Brexit würde jedoch wieder eine solche Erklärung verlangt werden. Bei Schiedsgerichtsurteilen ist dies anders. 

Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsgerichtsurteile richtet sich nach dem New Yorker Übereinkommen vom 1958, welches von über 150 Staaten ratifiziert wurde, darunter auch Deutschland und das Vereinigte Königreich. Hieran wird sich auch nach dem Brexit nichts ändern. Somit könnte eine Schiedsvereinbarung eine gute Alternative zur Gerichtsstandsvereinbarung darstellen. 

Zwischenfazit

Auch wenn die zukünftige Situation zwischen EU und Großbritannien noch offen ist, kann man der Ungewissheit dadurch begegnen, dass wenigstens auf vertraglicher Ebene für eine gewisse Rechtssicherheit gesorgt wird. Zwar können die Vertragsverhandlungen mühseliger werden, jedoch hat man es bei neuen Verträgen von Anfang an in der Hand, die Vor- und Nachteile abzuwägen und anhand der Risikoanalyse zu einem vertretbaren Vertrag zu gelangen. 

Langfristige Verträge und Verträge mit Abschluss vor dem Brexit

Deutlich problematischer kann sich hingegen die rechtliche Situation bei langfristig bestehenden Verträgen gestalten, die vor dem Brexit abgeschlossen worden sind. 

„pacta sunt servanda“

Denkbar wäre, dass aufgrund des Brexits z. B. Währungsschwankungen oder finanzielle Zollbelastungen einseitig eine Partei betreffen. Optimal wäre natürlich, wenn bereits der Vertrag Möglichkeiten für beide Parteien zu Nachverhandlungen vorsieht. Man sollte auch überprüfen, ob für bestimmte Konstellationen das Recht zur Kündigung oder zum Rücktritt geregelt wurde. 

Verträge sollten auf mögliche Rücktrittsvereinbarungen geprüft werden

Haben die Parteien aber nichts vereinbart, stellt sich die Frage, ob und wie etwaige Nachverhandlungen oder gar die Wahrnehmung der Rücktritts- oder Kündigungsrechte möglich sind.

Grundsätzlich gilt für wirksam geschlossene Verträge der Grundsatz „pacta sunt servanda“, also das Prinzip der Vertragstreue, dass Verträge einzuhalten sind. Aber wo ein Grundsatz ist, gibt es immer auch eine Ausnahme. 

Störung der Geschäftsgrundlage?  

Wenn deutsches Recht zwischen den Parteien vereinbart wurde (Rechtswahlklausel!), so könnte das deutsche Rechtsinstitut „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ des § 313 BGB in Betracht kommen. Es regelt den Fall, dass die Parteien aufgrund von gemeinsamen Vorstellungen einen Vertrag in Kenntnis und Vertrauen auf gewisse Umstände geschlossen haben. Ändern sich nun aber die zur Geschäftsgrundlage gemachten Umstände bedeutsam, kann die Regelung des § 313 BGB in erster Linie einen Anspruch auf Vertragsanpassung ermöglichen und sekundär je nach Vertragsart ein Rücktritts- bzw. Sonderkündigungsrecht begründen.

Ob Währungsschwankungen oder die Einführung von Zöllen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage tatsächlich begründen würden, hängt von dem einzelnen Fall ab. Zu viel Hoffnung sollte diesem Rechtsinstitut aber nicht gegeben werden, da es eher selten angenommen wird. 

Die Voraussetzungen sind streng; erforderlich ist eine unzumutbare Änderung der Umstände in erheblicher Weise. Eine Erheblichkeit in dem Maße, dass eine weitere Vertragserfüllung unzumutbar ist, ist z. B. bei einer durchschnittlich zu erwartenden Zollhöhe von circa 5 % auf den Gesamtkaufpreis eher abzulehnen. Anders könnte es ggf. bei einer Höhe von 10 % wie beispielsweise im Automobilsektor aussehen. Dies ist aber auch wieder eine Frage des Einzelfalls.

Neuverhandlung nur mit Zustimmung beider Parteien

Auch wenn die „Störung der Geschäftsgrundlage“ zu keiner allgemeingültigen Lösung führt, sollte nicht vergessen werden, dass Verträge immer mit Einverständnis beider Parteien neu verhandelt werden können! Es ist davon auszugehen, dass das Festhalten an den alten Verträgen weder für die britischen noch für die deutschen Unternehmen eine Option darstellt. 

Fazit

Wenn die Politik keinen Kompromiss zwischen EU und Großbritannien findet, muss das gleiche nicht für Ihre Vertragsverhältnisse gelten.  Dementsprechend sollte man sich mit dem Vertragspartner zusammensetzen und in den neuen Verhandlungen eine Chance sehen.