Die frühzeitige Kooperation von Sanierungsexperten mit Insolvenzverwaltern hilft Unternehmen aus der Krise

Die Liste prominenter Fälle ist lang. Ob der Düsseldorfer Fußbodenhersteller Pfleiderer AG oder die Augsburger Schuhhandelsketten Leiser und Schuhhof: Zahlreiche mittelständische Unternehmen mussten in den vergangenen Wochen den Gang zum Insolvenzgericht antreten. Die Schuhhändler erschienen den Banken nicht profitabel genug, um neue Kredite zu erhalten, bei Pfleiderer standen einzelne Gläubiger dem dringenden Kapitalschnitt im Wege.

Doch der Gang zum Insolvenzgericht ist Kalkül. Mit dem seit 01. März 2012 geltenden neuen Insolvenzrecht (Neuerungen im Kasten S. 8) sind eine gezielte Planinsolvenz und damit bessere Chancen zur Rettung von angeschlagenen Unternehmen möglich. „Die Aussichten, dass ein Unternehmen erhalten bleibt, können sich durch die Reform durchaus verbessern“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes Insolvenzverwalter in Deutschland e. V. (VID), Daniel Bergner. Der Verband hatte sich in der Vergangenheit für eine sanierungsorientierte Insolvenzverwaltung starkgemacht.

„Die Gläubiger haben jetzt mehr Einfluss auf die Person des Insolvenzverwalters.“

Dr. Daniel Bergner
ist Geschäftsführer des Verbandes Insolvenzverwalter in Deutschland e. V. (VID).

Insolvenzverwalter unter Wettbewerbsdruck

Damit kommt die Branche der Insolvenzverwalter stärker unter Wettbewerbsdruck. „Es wird jetzt transparenter dargestellt, wer in welchen Branchen welche Erfolge erzielt“, sagt Daniel Bergner und ergänzt: „Auch die Gläubiger haben jetzt mehr Einfluss auf die Person des Insolvenzverwalters.“

Letztere sehen sich zusehends gezwungen, mit M&A-Spezialisten und Restrukturierungsexperten zusammenzuarbeiten, um die Rettung des Unternehmens schnell auf den Weg zu bringen. 

Kundenbeziehungen und Aufträge als wertvolle Assets

Erfahrungen in einer solchen Zusammenarbeit gibt es schon seit längeren. „Wir arbeiten seit einigen Jahren erfolgreich mit M&A-Experten zusammen, die auch die Besonderheiten bei einem Distressed M&A beherrschen“, sagt Bettina Schmudde von White & Case Insolvenz GbR in Hamburg. „Eine professionelle M&A-Begleitung sorgt nicht nur für einen schnellen Abschluss, sondern erhält vor allem die Assets des Unternehmens.“ Gemeinsam mit dem Hamburger Restrukturierungsspezialisten bdp Venturis Management Consultants gelang so etwa die Rettung des sächsischen Telefonanlagenbauers Spharion Access Systems in Bautzen.

„Wir arbeiten seit Jahren erfolgreich mit Experten für Distressed M&A zusammen.“

Bettina Schmudde
ist Rechtsanwältin und Insolvenzverwalterin
bei der White & Case Insolvenz GbR.

Den Gesellschaftern fehlte Eigenkapital, um neues Fremdkapital für die erforderliche Restrukturierung einzuwerben. Es folgte der Insolvenzantrag, 210 Arbeitsplätze standen auf dem Spiel. „Der Wert des Unternehmens bestand im Wesentlichen aus Kundenbeziehungen und Aufträgen. Bei weiterem Zeitverlust wären diese weggebrochen, was die Insolvenzmasse erheblich reduziert hätte“, schildert bdp-Gründungspartner Michael Bormann die vorgefundene Situation.

„Eine Insolvenz ist nur die Ultima Ratio und sollte unbedingt gut geplant werden.“

Dr. Michael Bormann
ist Steuerberater und
seit 1992 bdp-Gründungspartner.

Bereits vier Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens konnte ein Kaufvertrag mit dem bisherigen Management und einem indischen Investor geschlossen werden. Der neue Chef von Spharion, Hari Iyengar, ist mit seiner Erwerbung zufrieden: „Wir profitieren von der langjährigen Tradition und Entwicklung des Unternehmens“.

Finanzierungsprobleme frühzeitig erkennen

So schnell wie im Fall Spharion geht es nicht immer voran. Beim sächsischen Werkzeugmaschinenbauer Wedo GmbH dauerte es sechs Monate, bis ein neuer Investor gefunden wurde, diesmal in Polen. „Es ist mehr und mehr erforderlich, im Ausland nach geeigneten Investoren zu suchen“, so Bormann. Dennoch glaubt Sanierungsexperte Bormann, haben die Änderungen im Insolvenzrecht zur Folge, dass Krisenunternehmen mehr Spielraum bekommen, insbesondere dann, wenn das bisherige Management aktiv mitwirkt. „Bei Finanzierungsproblemen müssen schnell die Ursachen untersucht und geeignete Gegenmaßnahmen entwickelt werden. Zu diesen kann als Ultima Ratio nach dem 01. März 2012 auch eine Planinsolvenz in Eigenverwaltung gehören - idealerweise sorgfältig vorbereitet im Team mit Sanierungsexperten und Insolvenzverwalter. Das erhöht die Chancen, dass die Arbeitsplätze erhalten werden können. Zudem behält man so die Kontrolle über das eigene Unternehmen.“

Das „Gesetz zu weiteren Erleichterungen der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) genannt, trat am 01.März 2012 in Kraft. Sanierungsfähige Unternehmen erhalten eine realistische Möglichkeit zur Eigenverwaltung, Gläubiger sollen von Beginn an mehr in die Gestaltung des Verfahrens eingebunden werden. Vor allem vier wesentliche Änderungen müssen Schuldner und Gläubiger kennen:

Stärkere Beteiligung der Gläubiger bei der Verwalterbestellung

Das Insolvenzgericht hat zukünftig einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, wenn die Bilanzsumme mindestens 4,84 Mio. Euro und der Umsatz mindestens 9,68 Mio. Euro beträgt sowie mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Nur 2 der 3 Voraussetzungen müssen dabei erfüllt sein. Er kann bereits vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters eingesetzt werden.

Dem Gläubigerausschuss muss zukünftig vorab Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Anforderungen an den Verwalter und zu dessen Person zu äußern. Dabei darf das Gericht von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Antrags nicht geeignet ist. 

Eigenverwaltung durch Geschäftsführung des Krisenunternehmens

Die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Gericht setzt nur noch voraus, dass sie vom Schuldner beantragt worden ist und keine Nachteile für die Gläubiger zu erwarten sind. Es sollte deshalb kurz vor der Antragstellung ein Insolvenzspezialist als Generalbevollmächtigter bestellt werden. Ein solcher Spezialist verfügt nicht nur über Sanierungserfahrung, sondern auch über die sachliche und emotionale Unabhängigkeit zu Vorgängen im Unternehmen. 

Hat das Krisenunternehmen die Eigenverwaltung beantragt, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist von maximal drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans. Das Krisenunternehmen hat mit dem Antrag eine begründete Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber eben noch keine eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Das Gericht bestellt dann nicht einen vorläufigen Insolvenzverwalter, sondern einen vorläufigen Sachwalter, sodass das Krisenunternehmen seine Geschäfte ohne Zustimmung eines Dritten tätigen kann. Dabei kann das Gericht dem Vorschlag des Schuldners für einen solchen Sachwalter folgen.

Schutzschirm

Der Schuldner erhält bis zu 3 Monate Zeit, um unter einem Schutzschirm und unter der Kontrolle des Gerichts sowie eines vorläufigen Sachwalters unbehelligt solche Sanierungsmaßnahmen vorzubereiten, die Aussicht auf Erfolg haben. Dem Schuldner soll die Sorge genommen werden, mit dem Eröffnungsantrag die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren und bereits im Vorfeld vorbereitete Sanierungsschritte nicht mehr durchführen zu können. Gleichzeitig wird der Schuldner durch den Schutzschirm des Beschlusses für einen begrenzten Zeitraum dem unmittelbaren Zugriff seiner Gläubiger entzogen.

Möglichkeit eines Debt-Equity-Swaps

Gläubiger können im Rahmen des Insolvenzplans ihre Forderungen in Gesellschaftsrechte am insolventen Unternehmen wandeln und partizipieren damit an der Zukunft des Unternehmens. Die Möglichkeit einzelner Gläubiger, den Insolvenzplan zu Fall zu bringen, wurde auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt.