Aufgrund der aktuellen Krisensituation hat der Gesetzgeber erneut Änderungen zur Insolvenzantragspflicht beschlossen, diese aber nicht aufgehoben. Wir klären auf, was nun gilt.

Der Gesetzgeber hat abermals Änderungen zur Insolvenzantragspflicht beschlossen. Insbesondere wurde der Prognosezeitraum für die Überschuldung von zwölf auf vier Monate verkürzt. Ferner wurden die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen von sechs auf vier Monate verkürzt. Die Insolvenzantragspflicht wurde aber dieses Mal nicht generell ausgesetzt.

Am 09. November 2022 ist das „Sanierungs- und insolvenzrechtliche Krisenabmilderungsgesetz (SanInsKG)“in Kraft getreten. Es ist befristet bis zum 31. Dezember 2023. Der Gesetzgeber hatte zunächst mit dem Gesetz mit dem Namensungetüm „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz bzw. COVInsAG)“ die Insolvenzantragspflicht nach § 15a der Insolvenzordnung vom 01. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 ausgesetzt, und zwar für die Geschäftsleiter, die im Zeitraum vom 01. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt hatten.

Da sich danach neben COVID 19 weitere Krisen einstellten (Lieferkettenunterbrechung, Ukrainekrieg, Energiekrise), wurde befürchtet, dass nun rasch eine Insolvenzwelle auf die deutsche Wirtschaft zurollen würde, wenn der Gesetzgeber nicht kurzfristig handelte. Dabei sollte auf Bewährtes und gleichzeitig auf Modifiziertes gesetzt werden. Denn es wurde deutlich erkennbar, dass die Insolvenzzahlen nach dem coronabedingten Lockdown im Jahr 2020 nicht – wie bei anderen Krisen der deutschen Wirtschaft – signifikant anstiegen, sondern genau im Gegenteil sanken. In der Finanzkrise im Jahr 2009 stiegen die Insolvenzzahlen noch um rund 13 % im Vergleich zu den Zahlen von vor der Finanzkrise. Während der Coronapandemie und den Einschränkungen im Jahr 2020 sanken die Insolvenzzahlen auf rund 25 % im Vergleich zu den Zahlen von vor der Pandemie (vgl. Gerrit Hözle, ZIP – Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2022, 1945-1946).

Konsequenzen aus der Coronakrise

Dass die Insolvenzzahlen nicht stiegen, war grundsätzlich ein sehr gutes Zeichen. Es zeigte, dass die finanziellen Maßnahmen der öffentlichen Hand zur Unterstützung der Unternehmen in der Wirtschaft, die von der Coronapandemie betroffen waren, erfolgreich griffen. Seinen Teil wird auch die großzügige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) geleistet haben.

Allerdings stimmte der Effekt etwas bedenklich, dass die Insolvenzzahlen trotz einer gesamtwirtschaftlichen Krise im Vergleich zu den Zahlen vor der Krise signifikant, nämlich in Höhe von rd. 25 %, sanken. Das bedeutete, dass Unternehmen am Markt weiter aktiv waren, obwohl sie unter den normalen Regelungen zur Insolvenzantragspflicht schon längst einen Insolvenzantrag hätten stellen müssen, um nicht weitere Firmen wirtschaftlich zu gefährden bzw. eine Sanierung oder Eliminierung des Rechtsträgers zu erreichen.

Gesetzgeberischer Spagat

Vor diesem Hintergrund wollte der Gesetzgeber mit dem Sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenabmilderungsgesetz (SanInsKG) den Spagat zwischen einem Schutz der Unternehmen, die allein nur krisenbedingt in Schwierigkeiten gerieten, und der Pflicht zur Insolvenzantragspflicht der Gesellschaften, die unabhängig von den Krisen nicht überlebensfähig sind, erreichen. Dies sollte dadurch umgesetzt werden, dass in Folge der aktuellen Krisensituation durch die Insolvenzordnung nicht generell (mehr oder minder großzügig) die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wurde. Vielmehr sollte nun ein geänderter Beurteilungsmaßstab angewendet werden. Dieser sollte verhindern, dass die Insolvenzzahlen signifikant auf ein Niveau weit vor der Krise sinken, aber gleichzeitig Unternehmen schützen, die nur aufgrund der aktuellen Krise temporär in eine Schieflage geraten waren. Das Instrument der temporären Aussetzung von Insolvenzantragspflicht und inhaltlicher Veränderung der Antragsvoraussetzungen sollte spezifischer ausgestaltet werden als in der Coronapandemie.

Eine Änderung im Vergleich zum COVInsAG ist, dass eine Krise nicht mehr kausal auf einer Ursache beruhen muss. Es können mehrere Ursachen für die aktuelle Entwicklung herangezogen werden, seien dies externe Ursachen wie gestiegene Energiepreise oder Inflation oder seien dies interne Gründe wie mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, falsche Kalkulationen etc.

Weitere Kernpunkte des Sanierungs- und insolvenzrechtlichen Krisenabmilderungsgesetzes (SanInsKG) sind die Verkürzung des Prognosezeitraums im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß der Insolvenzordnung von zwölf auf vier Monate sowie des Planungszeitraums bei einem Antrag auf Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO und bei einem Finanzplan nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) von sechs auf vier Monate.

Zur Umsetzung ist kein neues Gesetz geschaffen worden, vielmehr wurde das erwähnte (COVInsAG) angepasst und in das Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (SanInsKG) umbenannt.

Keine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Es besteht danach keine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht! Die geltende Rechtslage stellt sich derzeit so dar, dass die Geschäftsleitung eines Unternehmens bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit spätestens nach drei Wochen und bei Überschuldung spätestens nach sechs Wochen einen Insolvenzantrag stellen muss.

Nach § 19 Abs 2 Satz 1 InsO liegt der Insolvenzgrund in Form einer Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Mit anderen Worten: Es besteht eine positive Fortführungsprognose.

Fortführungsprognose für verkürzten Zeitraum

Für eine positive Fortführungsprognose ist ein aussagekräftiges Unternehmenskonzept mit integrierter Ertrags- und Finanzplanung (Liquiditätsplanung) für den gesamten Prognosezeitraum zu erstellen. Dieser Prognosezeitraum ist nun durch das SanInsKG von bisher zwölf Monate auf jetzt vier Monate verkürzt worden.

Hierzu heißt es in § 4 Abs. 2 SanInsKG: 

„In dem Zeitraum vom 9. November 2022 bis einschließlich 31. Dezember 2023 tritt an die Stelle des in
1. § 19 Absatz 2 Satz 1 der Insolvenzordnung genannten Zeitraums von zwölf Monaten,
2. § 270a Absatz 1 Nummer 1 der Insolvenzordnung genannten Zeitraums von sechs Monaten und
3. § 50 Absatz 2 Nummer 2 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes genannten Zeitraums von sechs Monaten
ein Zeitraum von vier Monaten. Satz 1 gilt auch, wenn vor dem 9. November 2022 eine Überschuldung nach § 19 Absatz 2 Satz 1 der Insolvenzordnung vorlag, es sei denn, dass der für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 der Insolvenzordnung bereits verstrichen ist.“

Dadurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Planung bei den gegenwärtigen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Energiepreiskrise und den bestehenden Unsicherheiten über das Ausmaß und die Dauer der Krise nicht für einen Zeitraum von zwölf Monaten angemessen und seriös erstellt werden kann. Eine Verkürzung des Prognosezeitraums kommt jedoch nicht in Betracht, wenn zum Inkrafttreten der Regelung bereits eine Antragspflicht vorliegt.

Verkürzter Planungszeitraum bei Eigenverwaltung

Ferner wird bei einem Antrag auf Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO der Planungszeitraum von sechs auf vier Monate verkürzt. Die Verkürzung des Prognosezeitraums betrifft auch den Planungszeitraum in § 50 StaRUG. Darüber hinaus wird bei einer Überschuldung die maximale Insolvenzantragstellungsfrist nun auf acht Wochen verlängert.

Monatliche Fortschreibung des Unternehmenskonzepts

Das einmalige Aufstellen einer positiven Fortführungsprognose durch ein aussagekräftiges Unternehmenskonzept kann jedoch die mögliche Antragspflicht nicht dauerhaft verhindern. Das Konzept muss von der Geschäftsleitung laufend auf seine Plausibilität hin geprüft und bei Änderungen der Umstände auch angepasst werden. Eine Planabweichung zwingt die Geschäftsleitung zum Handeln bzw. zum Aufstellen eines neuen Plans. D. h., während der andauernden Überschuldung muss das Unternehmenskonzept monatlich fortgeschrieben werden, damit der Prognosezeitraum dann fortwährend vier Monaten entspricht.

BGH: Darlegungs- und Beweislast beim klagenden Insolvenzverwalter

In diesem Zusammenhang sei auch noch erwähnt, dass der für Insolvenzanfechtungen zuständige IX. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 03. März 2022 – IX ZR 53/19 Rn. 24 entschieden hat, dass die Darlegungs- und Beweislast sowohl für die rechnerische Überschuldung als auch für die negative Fortführungsprognose jedenfalls im Insolvenzanfechtungsprozess dem klagenden Insolvenzverwalter auferlegt ist. Dieser müsse nun auch zur negativen Fortführungsprognose vortragen und den Eintritt der insolvenzrechtlichen Überschuldung voll beweisen.