Durch die Eigenverwaltung sollen die Kenntnisse des schuldnerischen Unternehmens zum Vorteil aller Gläubiger genutzt und Planungssicherheit eingeräumt werden.

Die durch das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) erfolgte Modernisierung der Insolvenzordnung stärkt insbesondere auch die Eigenverwaltung. Durch die Eigenverwaltung sollen die Kenntnisse des schuldnerischen Unternehmens zum Vorteil aller Gläubiger genutzt werden und vor allem den Beteiligten die für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen notwendige Planungs- und Verfahrenssicherheit einräumen. bdp-Partner Dr. Aicke Hasenheit erklärt das Verfahren.

Mit der Insolvenzantragstellung soll dem schuldnerischen Unternehmen nicht zwangsläufig die Möglichkeit genommen werden, die Geschäfte weiterzuführen. Das Insolvenzverfahren soll nicht zu einer Stigmatisierung der Beteiligten führen. Kernidee des ESUG und der damit verbundenen Änderung der Insolvenzordnung war es, überlebensfähigen Unternehmen stärker als bisher eine echte Chance zur Sanierung zu bieten. Nicht die Zerschlagung, sondern die Sanierung und damit der Erhalt des insolventen Unternehmens soll möglichst durch die Insolvenz erreicht werden. 

Die Eigenverwaltung 

Auch schon vor dem Inkrafttreten des ESUG sah die Insolvenzordnung die Möglichkeit vor, dem Schuldner selbst das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse zu belassen, damit dieser das Insolvenzverfahren in der sogenannten Eigenverwaltung unter Kontrolle des Sachwalters selbst durchführen kann. 

Diese Möglichkeit der Eigenverwaltung, die sich bei Restrukturierungen innerhalb der Insolvenz eröffnet, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers durch das ESUG einem breiteren Publikum, d. h. mehr Insolvenzschuldnern, angeboten werden. Nach 8 Jahren Praxis ist festzustellen, dass dieses Angebot zwar angenommen wird, die Eigenverwaltung allerdings nicht die Regel geworden, sondern die Ausnahme geblieben ist. 

Die Grundidee der Eigenverwaltung

Einer der Grundgedanken, der für eine Eigenverwaltung spricht, ist recht simpel: Die besondere Kenntnis des Schuldners bezüglich seines Geschäftes, d. h. letztlich der Insolvenzmasse, soll den Gläubigern zugutekommen. Für sie könnte sich eine Fremdverwaltung durch einen mit dem Geschäft bzw. der Insolvenzmasse nicht vertrauten Dritten (vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter) u. U. nachteilig auswirken. 

Allerdings gibt es auch (begründete) kritische Stimmen zur Eigenverwaltung. Häufig heißt es, es würde dann „der Bock zum Gärtner gemacht“. Denn die Person, die den Eintritt der Insolvenz nicht hat verhindern können, wird in aller Regel nicht dazu geeignet sein, die Insolvenzmasse optimal zu verwerten und im Insolvenzverfahren die Interessen der Gläubiger über eigene Interessen zu stellen. 

Diese kritischen Stimmen übersehen aber folgenden gravierenden Punkt: Es muss bei den Schuldnern meist zwischen handelnden natürlichen Personen und der juristischen Person (mit ihren dann austauschbaren Organen wie Geschäftsführer und Vorstände) differenziert werden. 

Eigenverwaltung heißt nicht, dass zwingend der alte Geschäftsführer die Eigenverwaltung leitet, sondern nur, dass der Schuldner (bei juristischen Personen eben die Gesellschaft) selbst die Verwaltung betreibt. Demnach kann im Rahmen der Eigenverwaltung auch ein in Restrukturierungen erfahrener neuer Geschäftsführer eingesetzt werden. 

Unbedingt Sanierungsberater hinzuziehen

Um dem Gericht und den Gläubigern die Gewissheit zu geben, dass die Eigenverwaltung zielführend der Sanierung des Unternehmens dient und die Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens nicht mit den Regularien des Eigenverwaltungsverfahrens vollkommen überfordert ist, wird sehr häufig ein begleitender, mit der Sanierung vertrauter sogenannter Sanierungsberater der eigenverwaltenden Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens zur Seite stehen. 

Aber auch aus Eigeninteresse der Geschäftsführung sollte ein Sanierungsberater unbedingt hinzugezogen werden, da der BGH mit einem jüngeren Urteil entschied (BGHZ vom 26. April 2018 - IX ZR; BGHZ 218, 290), dass eine strenge persönliche Haftung der Geschäftsführung als Organwalter des eigenverwaltenden Schuldners besteht (§§ 60, 61 InsO analog). Der Geschäftsführer haftet demnach allen Beteiligten gegenüber, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt, und den Massegläubigern gegenüber, wenn Masseverbindlichkeiten eingegangen wurden, die nicht von der Insolvenzmasse erfüllt werden können. 

Der Geschäftsführer eines insolventen Unternehmens in der Eigenverwaltung wird daher für die Kunden und Lieferanten zu einem zusätzlichen potenziellen Schuldner, in dessen persönliches Vermögen bei Eingreifen einer Haftung dann vollstreckt werden könnte. 

Dem gesetzgeberischen Ziel, die Sanierung eines insolventen Unternehmens durch ein Eigenverwaltungsverfahren zu befördern, steht diese Haftung im Grunde genommen entgegen. Durch einen begleitenden Sanierungsberater und dem Abschluss einer D&O-Versicherung für die Dauer der Eigenverwaltung, kann diese potenzielle Gefahr einer Haftungsinanspruchnahme aber minimiert werden.

Auch ergeben sich aus den gesammelten Erfahrungen mit dem Chapter 11 des US Bankcruptcy Code, dass eine derartige Stellung des Schuldners gerade bei juristischen Personen für alle Beteiligten von Vorteil sein kann (vgl. beispielsweise die GM-Insolvenz in den USA, die Suhrkamp-Insolvenz oder die Insolvenz der Herlitz AG in Deutschland).

Gegenwärtige Relevanz der Eigenverwaltung

Vor dem ESUG spielte die Eigenverwaltung in der Insolvenzpraxis eine sehr untergeordnete Rolle. Lediglich in rund 1% der Insolvenzverfahren (in den Jahren 2003 bis 2011) wurden Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchgeführt. In der Begründung zum ESUG heißt es sinngemäß, dass die Insolvenzgerichte in Bezug auf die Eigenverwaltung häufig sehr zurückhaltend entschieden haben. In der Öffentlichkeit wurden aber große Verfahren wahrgenommen, die durch Eigenverwaltung geführt worden sind. Hierbei sind folgende (größere) Verfahren zu nennen: „Babcock Borsig“, „Ihr Platz“ und die „Kirch-Gruppe“. 

Diese Zurückhaltung der Gerichte, Eigenverwaltung anzuordnen, korrespondiert mit der Möglichkeit der Antragsteller, schon bei drohender und nicht erst bei manifester Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Das in der übernächsten Ausgabe näher erläuterte Schutzschirmverfahren ist nur bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung möglich. 

Aber die Eigenverwaltung wird auch nach dem ESUG weiterhin kritisch gesehen. Vor allem Gläubiger stehen der Eigenverwaltung ablehnend gegenüber und verweigern ihr oft die Zustimmung. 

So werden durchschnittlich 1/3 der Anträge auf Eigenverwaltung abgelehnt. Das liegt aber meist in dem praktischen Ablauf begründet, dass es bei Antragstellung an einem schlüssigen Sanierungskonzept mangelt. Die meisten Unternehmen schaffen es nicht, bei der Antragstellung auf Eigenverwaltung ein vollständiges Sanierungskonzept vorzulegen. Das verunsichert die Gläubiger sehr.

Zielsetzung der Eigenverwaltung 

Das ESUG hat sich u. a. die „Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung“ auf die Fahnen geschrieben. Gegenüber der Regelinsolvenz werden folgende Vorteile benannt: 

  • Das unternehmensspezifische Wissen, das an die Person des Insolvenzschuldners gebunden ist, bleibt im Falle der Eigenverwaltung dem Schuldner (dem Unternehmen) voll erhalten. Die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung können besser genutzt werden. Der Insolvenzverwalter hat den Nachteil, sich einarbeiten zu müssen. 
  • Personengebundene Konzessionen und Genehmigungen bleiben weiter voll nutzbar.
  • Im Eigenverwaltungsverfahren ergeben sich einige Kostenvorteile aufgrund niedrigerer Aufwendungen für den Sachwalter. Dies liegt an der geringeren Vergütung des Sachwalters und dem Wegfall der Verwertungspauschalen im Rahmen der Eigenverwaltung.
  • Aufgrund erhobener statistischer Werte ergibt sich das Bild, dass bei der Möglichkeit der Eigenverwaltungsverfahren - in der Regel durch die Schuldner - Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens tendenziell früher eingereicht werden. Die Eigenverwaltung bietet einen erheblichen Anreiz für den Schuldner, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtzeitig zu stellen, weil er nicht damit rechnen muss, aus der Geschäftsführung verdrängt zu werden.
  • Durch eine Eigenverwaltung werden die Geschäftsbeziehungen der Geschäftspartner des Schuldners in der Regel weit weniger belastet. Zum Teil nehmen die Geschäftspartner von einer Insolvenz sogar nichts weiter wahr. Eine Pflicht zur Veröffentlichung § 9 InsO ist nicht ersichtlich, da §§ 270 InsO nicht auf § 9 InsO verweisen – auch nicht in § 270b InsO (Schutzschirmverfahren). 

Um diese Ziele zu erreichen, hat der Gesetzgeber folgende „Vorteile“ durch das ESUG geschaffen: 

  • in § 270 Abs. 2 InsO wurden die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung erheblich erleichtert, 
  • eine Eigenverwaltung nebst Sachwalter ist auch im vorläufigen Eröffnungsverfahren möglich, 
  • der Schuldner, der bei drohender Zahlungsunfähigkeit den Antrag auf Eigenverwaltung stellt, kann den Insolvenzantrag wieder zurücknehmen, wenn das Gericht die Eigenverwaltung zurückweist 

Ausblick

In der folgenden Ausgabe von bdp aktuell erläutern wir die Einsatzkonstellationen der Eigenverwaltung: Planverfahren, in der übertragenden Sanierung oder Zerschlagung. In der übernächsten Ausgabe befassen wir uns mit dem Schutzschirmverfahren.

Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren

Insolvenzrecht  Mit Eigenverwaltung selbst am Steuer bleiben

Durch die Eigenverwaltung sollen die Kenntnisse des schuldnerischen Unternehmens zum Vorteil aller Gläubiger genutzt und Planungssicherheit eingeräumt werden.

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Insolvenzrecht  Mit Eigenverwaltung selbst am Steuer bleiben (2)

bdp-Partner Dr. Aicke Hasenheit erläutert die Einsatzkonstellationen der Eigenverwaltung: Das Planverfahren, die übertragende Sanierung und die Zerschlagung.

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Reform des Insolvenzrechts   Was kann das Schutzschirmverfahren?

Das Schutzschirmverfahren ist ein sehr sinnvolles Instrument, um Restrukturierungsmaßnahmen bei einer nahenden Krise planvoll und zielorientiert anzustoßen.

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