Mit bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann sprachen wir über die Chancen und Risiken des Corona-Konjunkturpakets mit besonderem Blick auf die Automobilindustrie.

Kommt Deutschland so „mit Wumms aus der Coronakrise“? Wesentliche Bestandteile des 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets ist die befristete Absenkung der Umsatzsteuer sowie das Fehlen der hitzig diskutierten Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren. Mit bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann sprachen wir über die Chancen und Risiken des Pakets mit besonderem Blick auf die Automobilindustrie.

___Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Automobilzulieferer-Branche?

Die zweimalige Änderung des Umsatzsteuersatzes innerhalb von nur sechs Monaten bedeutet zunächst einmal eine Menge Umstellungsaufwand für das Rechnungswesen eines Automobilzulieferers. Es ist noch gar nicht sichergestellt, dass alle Softwarehäuser und auch die Finanzämter die kurzfristige Umstellung pünktlich zum 01. Juli 2020 schaffen. Die Auswirkung der Umsatzsteuersenkung auf eine direkte Belebung der Automobilkonjunktur dürfte begrenzt sein. Es stellt sich ja die Frage, ob eine Absenkung um drei Prozentpunkte die Verbraucher wirklich animiert, jetzt ein neues Auto zu kaufen. Um zum Beispiel 3.000 Euro Preisvorteil durch die Absenkung der Umsatzsteuer zu haben, müsste das Auto schon netto um die 100.000 Euro (= Bruttolistenpreis heute Euro 119.000) kosten. Und wie viele Privatverbraucher können sich ein Auto in dieser Preisklasse jetzt leisten?

Hinzu kommt, dass die Absenkung der Umsatzsteuer tatsächlich nur für die Privatverbraucher einen Kaufanreiz hat, denn die ganzen Firmenflottenverkäufe sind durch den Vorsteuerabzug ja überhaupt nicht betroffen. Da spielt die Höhe der Umsatzsteuer gar keine Rolle.

Fazit: Ich bin sehr skeptisch, ob die Absenkung der Umsatzsteuer direkte Kaufanreize für die Automobilindustrie generieren wird.

Die Hoffnung bleibt, dass der (Privat-)Verbraucher durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes auf 16 % bzw. 5 % insgesamt das Gefühl bekommt, jetzt mehr Geld zur Verfügung zu haben. Und wenn sich dieses positive Gefühl beim Verbraucher durchsetzt, mag er vielleicht eher entschlossen sein, auch ein neues Auto zu kaufen. Wichtig ist mit Sicherheit die zeitliche Begrenzung, sodass der Verbraucher die Entscheidung nicht lange aufschieben kann, sondern jetzt kaufen muss.

___Die lange diskutierte Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren kommt nicht, dafür allerdings für Hybrid- und Elektromotoren. Was bedeutet dies für die Automobilindustrie?

Ich bin mir sicher, dass eine feste Kaufprämie den Verbraucher eher animiert hätte, jetzt schnell eine Kaufentscheidung zu treffen. Nun wollte die Politik die Beendigung oder zumindest Linderung der Wirtschaftskrise durch Covid-19 mit klimapolitischen Zielen kombinieren. Ich halte das für falsch, denn die Industrie wird nicht in der Lage sein, bis zum Jahresende 2020 – und damit wirklich zur Umsatzankurbelung wirksam – überhaupt genügend Hybrid- oder gar Elektrofahrzeuge zu fertigen. Und der von der Prämie angelockte Verbraucher wird frustriert feststellen, dass es nicht genügend Ladekapazitäten gibt.

Ich bin der Überzeugung, dass wir mittelfristig die Klimaziele im Blick haben müssen. Die jetzige weltweite Wirtschaftskrise hat jedoch ein Ausmaß erreicht, welches nur noch mit 1929 vergleichbar ist. Da gilt es schnell und effizient aus der Krise herauszukommen, um einen wirtschaftlichen Kollaps vieler Nationen zu verhindern. Eine Kaufprämie auch für saubere Verbrennungsmotoren der neuesten Generation (wie z..B. in Italien) wäre ein probates Mittel gewesen, allein um zu vermeiden, dass die Automobilhersteller Milliarden Eurosfür bereits jetzt unverkäufliche Lagerfahrzeuge jüngster Produktion abschreiben müssen.

__Glauben Sie, dass das Paket (genug) Anreize schafft, um die Automobilzulieferer langfristig zu unterstützen?

Nein, das kann allein durch eine sechsmonatige Umsatzsteuerabsenkung und die reine Förderung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen (für die es wie gesagt gar nicht genug Produktionskapazitäten gibt) nicht erreicht werden. Es scheint, dass Deutschlands wichtigste Industrie mehr oder minder auf sich allein gestellt sein wird, den wichtigen Transformationsprozess und die Folgen der Krise zu stemmen. Die deutsche Politik bewegt sich auf dünnem Eis. Um Wählerstimmen einzufangen, wird bewusst das Risiko eingegangen, unsere größte Industrie zu opfern, die jahrzehntelang den Wohlstand unseres Landes mitgeschaffen hat.

___Halten Sie den Umfang des Konjunkturpakets für angemessen?

Wenn man sich den finanziellen Rahmen dieses Konjunkturpakets ansieht, ist man zunächst einmal von der absoluten Zahl erschlagen. Fraglich ist aber, wie dies gegenfinanziert werden kann! Sicher ist damit, dass sich mehr als ein Jahrzehnt die Zinsen um die 0 % herum bewegen werden, was zum Beispiel für die Rentnergeneration ein Problem darstellt. Dass die Staaten und die Unternehmen davon profitieren, steht aber außer Frage.

Näher betrachtet kommen Zweifel, ob diese nach dem Gießkannenprinzip verteilten Milliarden wirklich dazu geeignet sind, diese gigantische Weltwirtschaftskrise schnell zu überwinden. Hierzu gehören natürlich auch andere Faktoren, die Deutschland allein gar nicht beeinflussen kann: Als international tätiger Unternehmer bin ich der festen Grundüberzeugung, dass eine Krise dieses bislang nicht da gewesenen Ausmaßes nur gemeinsam durch die Staatengemeinschaft wirkungsvoll überwunden werden kann. Da gibt es momentan aber nicht nur in den USA, sondern überall auf der Welt bedrohliche Abschottungstendenzen. 

Allein im engeren europäischen Umfeld kann einem angst und bange werden, wenn man sich nur Italien, Polen oder Ungarn anschaut. Der Handelskrieg zwischen China und den USA kann für Europa sogar kurzfristig eine Chance bieten. Langfristig wird es aber auf allen Seiten nur Verlierer geben.

Wenn man dies analysiert, wird man zum Schluss kommen, dass die Weltwirtschaft sich von unbeschwerten Wachstumszeiten verabschieden muss – und das für eine lange Periode. Auch wenn sich die Klimaschützer hierüber freuen, bleibt die Frage, wie wirtschaftlich schwache Staaten in Europa und wirtschaftlich schwächste Staaten (in Afrika, in den Krisenherden Syrien, Afghanistan, Südamerika etc.) ohne Wachstum ihre Probleme meistern sollen. 

Für uns als Berater heißt dies, unsere Mandanten in diesem Schrumpfungs- und Transformationsprozess wirkungsvoll zu unterstützen. Überleben werden die schnellen und flexiblen, nicht unbedingt die großen Unternehmen. 

Für unsere durch die weltweiten Umsatzrückgänge ebenfalls betroffene Schwestergesellschaft, die bereits seit 1982 existierende heutige bdp Mechanical Components, bieten sich hierdurch durchaus Chancen. Mit Sitz in Shanghai und eigenen Gesellschaften in Spanien, Deutschland, Polen und Bulgarien sind wir international aufgestellt. Wir sind die zwar kleinen, aber schnellen und flexiblen Spezialisten. Wir können für größere Unternehmen weltweit das Sourcing und die Projektentwicklung von Guss- und Schmiedeteilen übernehmen und diesen Industriekunden helfen, deren Fixkosten zu senken. Wir helfen in Märkten aktiv zu werden, in denen unsere Kunden keine eigenen Niederlassungen aufmachen können.