Ohne positive Fortführungsprognose ist bei Überschuldung ein Insolvenzantrag zwingend. Welche Maßnahmen vermeiden dies?

In unserer Artikelserie zum Turnaround-Management haben wir Sie in der letzten Ausgabe von bdp aktuell darüber informiert, bei Vorliegen welcher Gründe ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann bzw. muss. Neben der Zahlungsunfähigkeit und der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist dies auch der Status der Überschuldung. Ohne positive Fortführungsprognose ist dann ein Insolvenzantrag zwingend. Wir erläutern hier, welche Maßnahmen eine Überschuldung beseitigen können.

Zur Beseitigung einer Überschuldung als Insolvenzgrund sind verschiedene Maßnahmen möglich. Diese unterteilen sich grundlegend in

  • Fremdkapitalmaßnahmen und
  • Eigenkapitalmaßnahmen

Leistungswirtschaftliche Maßnahmen dienen regelmäßig dazu, die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens wieder herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. Darüber werden wir Sie im folgenden Heft ausführlicher informieren.

Sämtliche Maßnahmen schaffen allerdings zunächst nur die Voraussetzungen für eine Sanierung. Diese muss dann auch in Angriff genommen werden!

Fremdkapitalmaßnahmen sind

  • Forderungsverzicht und
  • Rangrücktritt

Forderungsverzicht

Ein Forderungsverzicht setzt regelmäßig einen Erlassvertrag zwischen Schuldner und Gläubiger voraus. Die Forderung erlischt, wodurch eine Bereinigung der Bilanz erreicht wird. Gegebene Sicherheiten entfallen. In Höhe des Verzichts entsteht ein Ertrag bei der Gesellschaft, der grundsätzlich zu versteuern ist.

Bei Forderungsverzichten eines Gesellschafters wird steuerlich zwischen dem werthaltigen und dem nicht werthaltigen Teil der Forderung unterschieden. Nur in Höhe des nicht werthaltigen Teils wird ein steuerpflichtiger Gewinn angesetzt, der werthaltige Teil ist eine gewinnneutrale Einlage, die dem steuerlichen Einlagekonto gutgeschrieben wird. Für den steuerpflichtigen Betrag sollten aber in einer Krisensituation unbedingt die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Sanierungsgewinn geprüft werden.

Zudem kann ein Forderungsverzicht als bedingter Forderungsverzicht ausgestaltet sein, sodass die Forderung des Gläubigers unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise wieder auflebt.

Ein sogenannter Forderungsverzicht mit Besserungsschein erfordert ebenfalls einen Erlassvertrag. Gleichzeitig wird aufschiebend vereinbart, dass die Forderung, nämlich regelmäßig zukünftige Unternehmenserfolge, wieder auflebt.

Auch dieser Forderungsverzicht führt zur Bilanzbereinigung. Die Sicherheiten entfallen. Die Verbindlichkeit lebt erst wieder auf, soweit die formulierte Bedingung tatsächlich eintritt. Der Vorteil für den verzichtenden Gläubiger liegt in der möglichen weiteren Teilhabe am zukünftigen Unternehmenserfolg.

Rangrücktritt

Der Rangrücktritt setzt einen Schuldänderungsvertrag voraus. Die Rangrücktrittserklärung ist nicht formbedürftig. Wird ein Rangrücktritt ausgesprochen, so sollte unbedingt die Annahme durch die Gesellschaft dokumentiert werden, sofern nicht direkt eine Vereinbarung zwischen den Parteien erfolgt.

Ein Schuldner muss die Darlehensverbindlichkeiten trotz eines Rangrücktritts passivieren, denn er ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung weiterhin verpflichtet, seine Darlehensverbindlichkeiten gegenüber seinem Gläubiger auszuweisen. Eine Verbindlichkeit darf erst dann Gewinn erhöhend aufgelöst werden, wenn der Gläubiger dem Schuldner die Schuld erlässt, also ein Verzicht ausgesprochen wird oder die Verbindlichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden muss.

Bei Rangrücktritt bestehen die Schulden weiter

Ein Rangrücktritt führt also nicht zu einem Schuldenerlass. Bei einem Schuldenerlass gehen die Forderung des Gläubigers und die Verbindlichkeit des Schuldners unter. Der Rangrücktritt führt dagegen nicht zum Erlöschen der Schuld. Es wird lediglich vereinbart, dass die zurückgetretene Verbindlichkeit nachrangig bedient wird. Da die Verpflichtung des Schuldners bestehen bleibt, ist sie auch nach Vereinbarung eines Rangrücktritts zu passivieren.

Im Überschuldungsstatus ist die zurückgetretene Verbindlichkeit nicht zu berücksichtigen, wenn der Rangrücktritt die Formulierung enthält, dass dieses im Rang zurückgetretene Kapital nur wie statutarisches Eigenkapital zurückgezahlt werden wird (sog. „harter“ Rangrücktritt). Enthält der Rangrücktritt diese Formulierung nicht, wirkt nach herrschender Meinung der Rangrücktritt nicht kapitalverbessernd im Überschuldungsstatus. Dies beruht auf der besonderen Funktion dieses Rechenwerks und hat keine Bedeutung für die Bilanzierung im Jahresabschluss. Wichtig ist auch die Beachtung der §§ 19 Abs. 2, 39 InsO und die zeitliche Differenzierung eines Rangrücktritts vor und in einem Insolvenzverfahren.

Anzumerken ist noch, dass es das sogenannte „eigenkapitalersetzende Darlehen“ in dieser Form nicht mehr gibt. Die Darlehensverbindlichkeit eines Gesellschafters ist grundsätzlich als Fremdkapital auszuweisen. Gesellschafter dürfen natürlich der Gesellschaft weiterhin ein Darlehen gewähren, allerdings darf dieses jetzt auch dann zurückgezahlt werden, wenn dadurch das Eigenkapital gefährdet wird. Zu beachten sind dann aber natürlich die insolvenzrechtlichen Vorschriften und mögliche Haftungsrisiken bei einem solchen Vorgang.

Der (richtig formulierte!)  Rangrücktritt hat den Vorteil, dass die Darlehensverbindlichkeit im Überschuldungsstatus nicht anzusetzen ist. Wichtig ist aber auch, dass in der Rangrücktrittserklärung die Tilgung der Darlehensschuld nicht nur aus künftigem Gewinn, sondern auch aus einem Liquidationsüberschuss oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen erfolgt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die BFH-Rechtsprechung zur Anwendung kommt, der zufolge Verbindlichkeiten, die nur aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, nicht passiviert werden dürfen. Bei der Gestaltung eines Rangrücktritts kommt es also nicht nur auf die Formulierung im Hinblick auf den Überschuldungsstatus an, sondern auch auf mögliche, ggf. weitreichende,  steuerliche Konsequenzen!

Eigenkapitalmaßnahmen

Eigenkapitalmaßnahmen, die zu einer Verbesserung der Eigenkapitalstruktur führen, sind

  • Kapitalerhöhung
  • Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung
  • Einzahlung in die Kapitalrücklage
  • Debt-Equity-Swap

Kapitalerhöhung, Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung

Wesentliche Voraussetzungen sind: Gesellschafterbeschluss, Beachtung notarieller Formvorschriften sowie der Regelungen des GmbHG, Eintragung zum Handelsregister und korrekte Bilanzierung. Voraussetzung ist ferner, dass bei einer Barkapitalerhöhung die Mindestbareinzahlung in Höhe von 25 % zur freien Verfügung der Gesellschaft geleistet wird. Die Gesellschafter müssen also auch tatsächlich liquide Mittel zur Verfügung stellen.

Einzahlung in die Kapitalrücklage

Hierzu muss seitens der Gesellschafter ebenfalls entsprechende Liquidität vorhanden sein. Zwingende Formvorschriften sind nicht zu beachten.

Debt–Equity–Swap

Der Debt-Equity-Swap ist ein Restrukturierungsinstrument, bei dem Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt wird. Gläubiger können durch das Umwandeln ihrer Forderung langfristig am Unternehmenserfolg partizipieren. Durch das zum 01. März 2012 in Kraft getretene ESUG hat dieses Gestaltungsinstrument auch Eingang in das Insolvenzverfahren gefunden. Ein Debt-Equity-Swap kann faktisch auf zwei Arten erfolgen: als Sacheinlage oder im Wege des Share-Deals.

Bei der Sacheinlage erfolgt regelmäßig zunächst die Herabsetzung des Kapitals der Gesellschaft auf den tatsächlich noch vorhandenen Betrag an Eigenkapital. Anschließend wird eine effektive Kapitalerhöhung durchgeführt. Diese Kapitalerhöhung erfolgt durch die Einbringung der Gläubigerforderung als Sacheinlage. Zu beachten sind hierbei jedoch auch Bewertungsfragen und steuerliche Aspekte. Größtes Risiko bei der Sacheinlage ist die Unterbilanzhaftung. Diese ergibt sich dann, wenn die eingelegte Forderung nicht bzw. nicht in der Höhe  werthaltig ist. Dem neuen Gesellschafter droht dann eine Nachschusspflicht in bar, falls sich herausstellt, dass die Forderung überbewertet wurde.

Beim Share-Deal hingegen übertragen die Altgesellschafter einen bereits bestehenden Gesellschaftsanteil auf den Gläubiger, der im Gegenzug auf seine Forderung verzichtet. Risiken bestehen auch hier: Sofern rückständige Leistungen dieses Geschäftsanteils bestehen, haftet der Erwerber neben dem Veräußerer gesamtschuldnerisch.

Dennoch bietet der Debt-Equity-Swap einige Vorteile:

  • Beseitigung einer eventuellen Überschuldung
  • Erhöhung der Eigenkapitalquote und Senkung der Finanzierungskosten; daraus folgt regelmäßig eine Stärkung der Ertragskraft und Bonität der Gesellschaft
  • Erhalt der operativen Einheit

In vielen Ländern ist der Debt-Equity-Swap bereits als Restrukturierungsmaßnahme etabliert. Aufgrund der verschiedenen Chancen und Risiken sollte jedoch unbedingt neben der  strategischen wirtschaftlichen Planung eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen und steuerlichen Implikationen erfolgen.

Sämtliche vorgestellten Maßnahmen sind im jeweiligen Einzelfall auf ihre Umsetzbarkeit und Ausgestaltung zu prüfen, damit auch das jeweils gewünschte Ziel ohne steuer- oder haftungsrechtliche Risiken erreicht wird. Wir beraten Sie dazu gerne individuell.

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