In Zeiten des Fachkräftemangels wird das Recruiting nur dann nennenswerten Erfolg haben, wenn Unternehmen dem Employer Branding genügend Aufmerksamkeit schenken.

Herr Fábrega, Sie sind mit Ihrem Unternehmen schon lange Mandant bei bdp. 

Um genau zu sein, seit der Gründung von Highlife Media. bdp begleitet uns seit vielen Jahren und hat maßgeblich an allen Veränderungsprozessen in unserem Unternehmen mitgewirkt. Ihr kontinuierlicher Beistand war uns stets eine wertvolle Unterstützung. 

Sie haben sich in den letzten Jahren auf die Dienstleistung Employer Branding spezialisiert. Wie kam es dazu bzw. warum sehen Sie da so ein Potenzial? 

Der Druck kam da eher aus Richtung unserer Kunden. Wo früher noch die Themen Umsatzmaximierung, Rentabilität, also klassische Wachstumsthemen im Vordergrund standen, steht heute der Fachkräftemangel. 
Im Gegenteil zu den früheren Themen ist der Fachkräftemangel kein Problem, das zwingend aus dem Wachstum heraus entsteht. Ganz im Gegenteil: Er hemmt das Wachstum vieler Unternehmen. 

Nun gibt es ja bereits viele Lösungen auf dem Markt, die sich mit dem Fachkräftemangel beschäftigen. Beschreiten Sie einen Sonderweg? 

Sicherlich nicht, dafür ist das Problem zu vielschichtig und zu komplex. Unser wissenschaftlicher Ansatz hilft Unternehmen, sich als attraktiven Arbeitgeber zu etablieren. Wir begleiten Unternehmen dabei, einen gemeinsamen Wertekosmos und Unternehmensgeist zu entwickeln, der oft bereits im Unternehmen vorhanden ist, aber vielleicht noch nicht vollständig entfaltet wurde.

Entschuldigen Sie Herr Fábrega, das klingt alles fantastisch, aber ist unser Mittelstand hier in Deutschland überhaupt bereit für diese Themen? 

Wir werden täglich mit dieser Frage konfrontiert, aber erleben auch, wie offen viele Unternehmen inzwischen für dieses Thema sind. Am Ende überzeugen aber auch die wirtschaftlichen Faktoren, und diese Treiber sind meist die stärksten. 

Das müssen Sie näher erklären. 

Nehmen wir an, ein Unternehmen sucht verschiedene Mitarbeitende. Durch das altbewährte Recruiting, wie Headhunter oder teure Werbekampagnen, werden mit erheblichem Aufwand Kandidat*in für Kandidat*in rekrutiert und die Stellen nach und nach besetzt. In der Zwischenzeit lastet die Arbeitslast dieser fehlenden Mitarbeitenden auf der restlichen Belegschaft, und das mit teils dramatischen Folgen. 

Wir sehen immer wieder, dass sich dadurch Spannungen aufbauen und Führungskräfte oft die Folgen zu spät erkennen. Was passiert also? Noch bevor der erste Mitarbeitende eingearbeitet ist, verlässt ein anderer das Unternehmen. Der Kreislauf beginnt also wieder von vorn. In dieser Spirale befinden sich aktuell viele Betriebe. 

Und Ihr Ansatz beseitigt den Fachkräftemangel? 

Es gehört mit Sicherheit mehr dazu. Dafür braucht es auch politische Lösungen, aber für den Moment müssen Unternehmen sich strategisch der Tragweite des Problems stellen. Klassische Recruitingmaßnahmen schließen die Lücken, aber mit einer starken Arbeitgebermarke bindet man seine Mitarbeitenden langfristig. Das ist das wertvollste strategische Element in der heutigen Zeit. 

Unser Fokus liegt darauf, nicht nur kurzfristige Lücken zu füllen, sondern nachhaltige Lösungen zu schaffen, die das Recruiting verbessern und langfristig den Fachkräftemangel bewältigen. 

Wir sprechen mit vielen Inhaber*innen und Geschäftsführenden, die gar nicht mehr wissen, wo sie bei diesen Themen anfangen sollen. Wie führen Sie Unternehmen an den Fachkräftemangel heran? 

Wie bereits erwähnt, versuchen wir darauf aufmerksam zu machen, dass das Problem nicht nur im Recruiting liegt, sondern auch mit Themen wie Fluktuation zusammenhängt. Selbst langjährige Mitarbeitende verlassen das Unternehmen aufgrund einer gewissen Unzufriedenheit oder einer zu hohen Arbeitslast. 

Es ist uns wichtig, die Unternehmen für die vielschichtigen Herausforderungen zu sensibilisieren, denen sie gegenüberstehen. Denn nur durch ein umfassendes Verständnis können geeignete Lösungsansätze entwickelt werden. 

Sie appellieren immer wieder an die Strategie, die Unternehmen überdenken müssen. Welchen Lösungsansatz verfolgen Sie konkret mit Ihren Kunden? 

Eine Lösung für diese Art von Problem ist, den Blick nicht immer nur nach außen zu werfen, was oft getan wird. Bevor wir uns darauf konzentrieren, unsere Kommunikation nach außen zu verbessern, widmen wir uns zunächst eingehend der internen Betrachtung der Unternehmenswerte und -kultur. Nur wenn die Belegschaft versteht, wer sie wirklich ist, können wir unsere Botschaften nach außen hin stimmig und überzeugend vermitteln. 

Ein zentraler Aspekt unserer Arbeit ist es, die Unternehmenskultur praxisorientiert zu leben und zu gestalten. Dabei stellen wir uns die Frage, welche Art von Menschen wir tatsächlich für unser Unternehmen suchen und benötigen. 

Ziel des Prozesses ist die Definition einer einzigartigen und trennscharfen Arbeitgeberidentität. Mit der Identität gehen weitere Handlungsfelder im Unternehmen einher, wie bspw. klare Führungsleitbilder, eine stringente interne sowie externe Unternehmenskommunikation oder die Anpassung der Identität auf die Gestaltung der Arbeitswelt. Also Meetings, der Umgang miteinander und viele weitere Dinge des Arbeitsalltags. 

Durch dieses Verständnis gelangen sie an den Punkt, an dem sie selbstbewusst sagen können: „Wir wissen genau, wer wir sind und wen wir hier langfristig suchen.“ Wir nennen das im Fachjargon „Kulturelle Passungskriterien“, das Highlight jeder Personalabteilung. 

Herr Fábrega, den Fachkräftemangel gibt es ja nun schon länger. Sind viele Unternehmen schon zu spät oder ist noch Zeit? 

Ich bin der festen Überzeugung, dass Employer Branding früher oder später jedes Unternehmen, unabhängig von seiner Größe, betrifft. In der heutigen Zeit kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, dem Thema Employer Branding keine Aufmerksamkeit zu schenken. Die Unternehmen, die sich zu lange Zeit lassen, werden den Fachkräftemangel mehr und mehr als Wachstumsbremse zu spüren bekommen.

Die Vielzahl der Aspekte, die beim Employer Branding eine Rolle spielen, erfordert langfristige Strategien. Deshalb halten wir es für äußerst wichtig, möglichst früh damit zu beginnen. Diese Prozesse benötigen Zeit und lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen. Eine gelebte Unternehmenskultur entsteht nicht allein durch ein paar Workshops, sondern sie bedarf einer tiefgreifenden Verankerung. Der Einfluss von Employer Branding beginnt bereits bei den Führungskräften, zieht sich aber bis hin zu den einzelnen Mitarbeitenden. Es ist entscheidend, dass alle Beteiligten in diesem Veränderungsprozess mitgenommen und erreicht werden. 

Herr Fábrega wir bedanken uns für das Gespräch.

Mit Marc Fábrega sprach Rüdiger Kloth, Partner bei bdp Hamburg.