Unternehmen in der Sanierung müssen unnötige Geldabflüsse unbedingt vermeiden

In der Sanierung müssen unnötige Steuerzahlungen unbedingt vermieden werden. Nach der Darstellung der erfolgsneutralen (bdp aktuell 66) und der erfolgswirksamen Sanierungshandlungen (bdp aktuell 67) sowie dem möglichen Verlust von Verlustvorträgen (bdp aktuell 68) befasst sich bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann nun mit den Umsatzsteuern in der Sanierung.

Umsatzsteuer: Insolvenz- oder Masseverbindlichkeit?

Die Vorschriften der Insolvenzordnung werden durch das Steuerrecht nicht berührt oder eingeschränkt, es gilt der Grundsatz „Insolvenzrecht geht vor Steuerrecht“. Entscheidend für die Realisierung von Umsatzsteuerforderungen seitens des Finanzamts ist es, ob die Forderungen zu den Insolvenzforderungen oder zu den Masseforderungen zählen.

Die Einordnung der Umsatzsteuer als Insolvenz- oder Masseverbindlichkeit des Schuldners richtet sich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründetheit, d.h., wann der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist: Ist dies vor Antragstellung der Fall, stellt die Umsatzsteuer eine Insolvenzverbindlichkeit dar, anderenfalls handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 wird die Insolvenzordnungab 01.01.2011 dahingehend ergänzt, dass nunmehr von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder dem Schuldner mit dessen Zustimmung begründete Steuerverbindlichkeiten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten gelten.

Der Entstehungszeitpunkt des Steueranspruchs ist auch abhängig vom Besteuerungsverfahren, welches der Unternehmer anwendet. Im Umsatzsteuerrecht wird dabei unterschieden in die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (sog. Sollversteuerung) und nach vereinnahmten Entgelten (sog. Istversteuerung).

Bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten entsteht der Steueranspruch grundsätzlich mit Ausführung der Leistung. Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist der Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung, in der Regel durch Kontoauszug nachweisbar, maßgeblich. Dies ist taggenau zu beurteilen.

Ein Fallbeispiel:

Unternehmer A hat am 15.02.2010 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt; am 15.03.2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. A versteuert seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung). Für eine am 15.01.2010 ausgeführte umsatzsteuerpflichtige Leistung in Höhe von 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro USt geht die Zahlung am 10.04.2010 auf dem Konto des A ein. Der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand, nämlich Leistung und Zahlung, ist am 10.4.2010, mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, vollständig verwirklicht. Die Umsatzsteuer in Höhe von 3.800 Euro stellt somit eine Masseverbindlichkeit dar und ist aus der Insolvenzmasse zu entrichten.

Bei dem im Beispiel dargestellten Sachverhalt könnte der Insolvenzverwalter versucht sein, durch einen Antrag auf Wechsel von der Istversteuerung zur Sollversteuerung eine Belastung der Insolvenzmasse mit Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit zu vermeiden. Im Falle der Sollversteuerung wäre der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand, nämlich die Ausführung der Leistung, bereits vor Antragstellung abgeschlossen. Die Umsatzsteuer ist nur noch dann Insolvenzverbindlichkeit, wenn sie nicht bereits durch den vorläufigen Insolvenzverwalter bzw den Schuldner mit dessen Zustimmung begründet wurde.

Einer solchen Gestaltung steht jedoch der Erlass des Finanzministeriums Brandenburg entgegen, wonach zwar ein Wechsel von der Ist- zur Sollversteuerung grundsätzlich auch im laufenden Insolvenzverfahren möglich ist, jedoch nicht rückwirkend gestattet wird. Aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung muss die Sollbesteuerung stets ein volles Kalenderjahr umfassen. Im obigen Beispiel bedeutet dies, dass der Wechsel zur Sollversteuerung frühestens ab dem Besteuerungszeitraum 2011 möglich wäre.

Ferner bleiben nach Auffassung der Finanzverwaltung auch nach dem Wechsel der Besteuerungsform die Voraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung galten, für die Entstehung der Steuer maßgebend. Für Umsätze, die in einem Besteuerungszeitraum ausgeführt wurden, für die der Unternehmer die Istversteuerung angewandt hatte, gilt diese Besteuerung weiter, auch wenn in späteren Besteuerungszeiträumen ein Wechsel zur Sollversteuerung eintritt.

Vorsteuerkorrektur und umsatzsteuerliche Organschaft

Ein Problem, das insbesondere bei Krisenunternehmen häufig besteht und leider häufig nicht betrachtet wird, ist die umsatzsteuerliche Organschaft.

Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, wenn eine juristische Person finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Die finanzielle Eingliederung ist gegeben, wenn der Organträger über die Stimmrechtsmehrheit bei der Organgesellschaft verfügt. Eine wirtschaftliche Eingliederung liegt vor, wenn zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche Beziehungen bestehen. Die organisatorische Eingliederung schließlich ist gegeben, wenn durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass der Wille des Organträgers in der Organgesellschaft durchgesetzt wird, z.B. durch Personalunion der Geschäftsführer in beiden Gesellschaften. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt zwingend eine umsatzsteuerliche Organschaft vor, ein Wahlrecht besteht nicht. Rechtsfolge der Organschaft ist, dass der Organträger die gesamte Umsatzsteuer und Vorsteuer des Organkreises anmeldet und abführt. Umsätze zwischen beiden Gesellschaften unterliegen als Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer.

Ein klassischer Fall der umsatzsteuerlichen Organschaft ist die Betriebsaufspaltung, eine Konstruktion, in der viele mittelständische Betriebe organisiert sind. Dabei wird die betriebliche Tätigkeit derart auf zwei Unternehmen aufgeteilt, dass ein Unternehmen, meist eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen, die wesentlichen Betriebsgrundlagen (Betriebsgelände, Maschinen etc.) besitzt und diese an das Betriebsunternehmen, meist eine Kapitalgesellschaft, vermietet oder verpachtet. Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung ist neben der Vermietung der wesentlichen Betriebsgrundlagen die personelle Verflechtung zwischen beiden Gesellschaften. Demnach muss dieselbe Person sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen derartig beherrschen, dass in beiden Unternehmen ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille durchgesetzt werden kann. Neben einer umsatzsteuerlichen Organschaft hat die Betriebsaufspaltung zur Folge, dass die eigentlich vermögensverwaltende Tätigkeit der Besitzgesellschaft, nämlich die Vermietung oder Verpachtung der Betriebsgrundlagen, zu einer gewerblichen Tätigkeit wird und die vermieteten Gegenstände Betriebsvermögen werden.

Zu steuerlichen Fallstricken kann diese Konstruktion dann führen, wenn es zur Insolvenz der Betriebsgesellschaft kommt. Spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden die Forderungen der Gläubiger umsatzsteuerlich in voller Höhe uneinbringlich, unabhängig von einer möglichen Insolvenzquote. Nach einer Entscheidung des FG München kann die Uneinbringlichkeit auch bereits mit Antragstellung eintreten.

Wenn die Forderungen der Gläubiger uneinbringlich werden, besteht für diese die Pflicht zur Berichtigung der Umsatzsteuer. Diese Steuer kann der Gläubiger vom Finanzamt zurückfordern. Der Schuldner, in diesem Fall die insolvente Betriebsgesellschaft, muss wiederum den Vorsteuerabzug berichtigen und die Vorsteuer zurückzahlen. Eine mögliche Insolvenzquote bzw. tatsächliche Erfüllungen sind unerheblich.

Ohne Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft würde die Forderung des Finanzamts auf Erstattung der Vorsteuer eine Insolvenzforderung darstellen, die zur Tabelle angemeldet werden müsste. Bei einer Organschaft ist Zahlungsverpflichteter jedoch der Organträger, der die Vorsteuerbeträge der Organgesellschaft in voller Höhe an das Finanzamt zahlen muss. Da der Organträger meist in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmens organisiert ist, besteht in diesem Fall zudem noch die Gefahr, dass das Finanzamt auch auf das Privatvermögen der Gesellschafter zugreifen kann.

Diese Gefahr kann nur vermieden werden, indem rechtzeitig vor der Stellung des Insolvenzantrags die umsatzsteuerliche Organschaft durch Beseitigung der finanziellen, der wirtschaftlichen oder der organisatorischen Eingliederung beendet wird. Allerdings muss gleichzeitig beachtet werden, dass dadurch nicht auch die Betriebsaufspaltung aufgrund des Wegfalls der personellen Verflechtung beendet wird.

Die Beendigung einer Betriebsaufspaltung ist regelmäßig als Betriebsaufgabe des Besitzunternehmens zu beurteilen und führt dazu, dass sämtliche stillen Reserven im Betriebsvermögen des Besitzunternehmens aufgedeckt und versteuert werden. Also muss, wenn die Umsatzsteuer-Organschaft beendet werden soll, zunächst in jedem Fall sichergestellt werden, dass der Organträger weiterhin eine gewerbliche Gesellschaft ist, z.B. indem die Besitz-GbR in eine OHG umgewandelt wird oder eine gewerbliche Tätigkeit mit hinzugenommen wird.

Dauerfristverlängerung

Grundsätzlich muss der Unternehmer bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums beim Finanzamt eine Umsatzsteuervoranmeldung auf elektronischem Weg einreichen.

Der Voranmeldungszeitraum ist gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG das Kalendervierteljahr. In den Fällen, in denen die Umsatzsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 7.500 Euro beträgt, ist gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG der Kalendermonat Voranmeldungszeitraum.

Das Finanzamt kann die Abgabefrist auf Antrag des Unternehmers um einen Monat verlängern. Bei Unternehmern, die monatliche Vorauszahlungen abgeben müssen, wird diese Fristverlängerung gemäß § 47 UStDV jedoch nur gewährt, wenn eine Sondervorauszahlung in Höhe von einem Elftel der Summe der Vorauszahlungen für das vorangegangene Kalenderjahr entrichtet wird.

Erhält das Finanzamt vom Insolvenzantrag Kenntnis, wird eine gewährte Dauerfristverlängerung widerrufen, da der Steueranspruch nicht mehr gesichert ist. Allerdings führt dies nicht dazu, dass dem Unternehmer die geleistete Sondervorauszahlung erstattet wird. Vielmehr wird die Sondervorauszahlung auf die Umsatzsteuervorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum angerechnet, für den die Fristverlängerung gilt. Die Anrechnung der Sondervorauszahlung auf die Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum bedeutet, dass die errechnete Vorauszahlung für diesen Zeitraum um die Sondervorauszahlung zu kürzen ist, jedoch nur bis zur Höhe der Vorauszahlung. Sollte sich ein Guthaben ergeben, ist dieses in der Umsatzsteuerjahreserklärung auf die restliche noch offene Jahressteuer anzurechnen. Ist die Sondervorauszahlung auch dann noch nicht verbraucht, hat der Unternehmer insoweit einen Erstattungsanspruch. Dies gilt insbesondere im Fall der Insolvenz; der Erstattungsanspruch fällt dann in die Insolvenzmasse.

Steuerrisiken bei der Sanierung