Bei der Sanierung müssen Beteiligungen oder Kapitalerhöhungen daraufhin geprüft werden, ob sie vorhandene Verlustvorträge gefährden

In der Sanierung müssen unnötige Steuerzahlungen unbedingt vermieden werden. Nach der Darstellung der erfolgsneutralen (bdp aktuell 66) und der erfolgswirksamen Sanierungshandlungen (bdp aktuell 67) befasst sich bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann nun mit dem möglichen Verlust von Verlustvorträgen.

Seit dem Steuerreformgesetz 1990 enthält das Körperschaftsteuergesetz Regelungen, die den Handel mit sog. Verlustmänteln verhindern sollen. Dabei handelt es sich um in der Regel vermögenslose Kapitalgesellschaften mit steuerlichen Verlustvorträgen. Ziel der Vorschriften ist es zu vermeiden, dass der Erwerber einer solchen Gesellschaft diese wirtschaftlich wiederbelebt und die mit der Gesellschaft erworbenen Verlustvorträge mit den erzielten Gewinnen verrechnet, sodass keine Steuerlast entsteht. Daher wurde der § 8 Abs. 4 KStG eingeführt, der als Bedingung für einen Verlustabzug die wirtschaftliche Identität des verlustbringenden und des verlustnutzenden Unternehmens festlegt.

Aufgrund der schwierigen Umsetzung in der Praxis und Zweifelsfragen zu den Tatbestandsmerkmalen, die Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren waren, wurde § 8 Abs. 4 KStG mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 aufgehoben und durch § 8 c KStG ersetzt, der die Fälle des Mantelkaufs vereinfachen sollte. Die Vorschrift des § 8 c KStG findet Anwendung auf Anteilsübertragungen, die nach dem 31.12.2007 vorgenommen werden. Mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung und dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde die Vorschrift durch die Einführung einer Konzernklausel und einer Verschonungsregelung sowie einer Sanierungsklausel erneut geändert.

Schädliche Beteiligungserwerbe

Nach § 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG gehen die Verlustvorträge grundsätzlich anteilig unter, wenn ein sogenannter schädlicher Beteiligungserwerb vorliegt. Das ist der Fall, wenn

  • innerhalb von fünf Jahren
  • mehr als 25 %  und bis zu 50 %  der Anteile
  • mittelbar oder unmittelbar
  • an einen Erwerber, eine diesem nahestehende Person oder eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen übertragen werden.

Eine Kapitalerhöhung steht gemäß § 8 c Abs. 1 Satz 4 KStG einer Anteilsübertragung gleich, wenn es dadurch zu einer Veränderung der Beteiligungsquoten kommt.

Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 %  der Anteile an einen Erwerber, eine ihm nahestehende Person oder eine Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen übertragen, gehen die Verlustvorträge gemäß § 8 c Abs. 1 Satz 2 KStG vollständig unter.

Es geht jeweils der Verlustvortrag unter, der zu dem Zeitpunkt besteht, in dem die in § 8 c Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 KStG genannten Grenzen überschritten werden. Ebenfalls betroffen ist der laufende Verlust, der im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs bis zur Anteilsübertragung angefallen ist.

Danach gehen die Verlustvorträge bei einem schädlichen Anteilseignerwechsel nicht unter, soweit in den erworbenen Anteilen stille Reserven enthalten sind. Hintergrund der Vorschrift ist die Überlegung, dass die Verlustgesellschaft in der Höhe, in der sie über stille Reserven verfügt, einen bestehenden Verlustvortrag selbst hätte nutzen können, indem sie vor einem schädlichen Anteilserwerb vorhandene stille Reserven realisiert hätte.

Die Verlustvorträge gehen nicht unter, soweit der Verlustvortrag bei einem schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 25 %  bis maximal 50 %  die anteiligen, zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs vorhandenen stillen Reserven der erworbenen Kapitalgesellschaft nicht übersteigt. Erfolgt ein Beteiligungserwerb von mehr als 50 %, sind dem nicht genutzten Verlust sämtliche stillen Reserven der erworbenen Kapitalgesellschaft gegenzurechnen. Übersteigt der nicht genutzte Verlust die stillen Reserven, geht er insoweit unter.

Die stillen Reserven ermitteln sich nach § 8 c Abs. 1 Satz 7 KStG als Unterschiedsbetrag zwischen dem anteiligen (bzw. bei Veräußerung von mehr als 50 %  der Anteile dem gesamten) steuerlichen Eigenkapital und dem auf dieses Eigenkapital jeweils entfallenden gemeinen Wert der Anteile an der Körperschaft.

Bei einem entgeltlichen Erwerb der Anteile kann der gemeine Wert aus dem gezahlten Entgelt abgeleitet werden, anderenfalls ist eine Unternehmensbewertung durchzuführen. Der gemeine Wert ist dabei regelmäßig nach dem Ertragswertverfahren (IDW-Standard S1) zu ermitteln oder nach im Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methoden.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 7 KStG sind nur solche stille Reserven zu berücksichtigen, die im Inland steuerpflichtig sind. Damit können folgende stille Reserven nicht angerechnet werden:

  • stille Reserven in Wirtschaftsgütern, die einer ausländischen Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode zuzuordnen sind,
  • stille Reserven in Anteilen an Kapitalgesellschaften, da die Gewinne aus der Veräußerung nach § 8 b Abs. 2 KStG steuerfrei gestellt sind.

Sanierungsklausel und EU-Prüfverfahren

Der § 8 c KStG sah in seiner ursprünglichen Fassung (anders als die Vorgängervorschrift) keine Regelung zu Sanierungsfällen vor. In der Gesetzesbegründung wurde darauf verwiesen, dass von der Besteuerung eines den vorhandenen Verlustvortrag überschießenden Betrags im Billigkeitsweg abgesehen werden könne und eine gesetzliche Regelung daher entbehrlich sei.

Nach zahlreichen kritischen Stimmen musste der Gesetzgeber erkennen, dass die bestehende Vorschrift das eigentlich gewünschte Fresh Money in Sanierungsfällen nahezu verhinderte. Daraufhin hat er mit Wirkung zum 1.1.2008 den § 8 c KStG dahin gehend modifiziert, dass mit dem § 8 c Abs. 1 a KStG eine sogenannte Sanierungsklausel bzw. ein Sanierungsprivileg eingeführt wurde. Die Anwendung der Sanierungsklausel war zunächst auf die Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 begrenzt, wurde aber mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz über den 31.12.2009 hinaus ohne zeitliche Befristung verlängert.

Nach dieser Vorschrift sollte ein Beteiligungserwerb zum Zwecke der Sanierung nicht zu einem Untergang der Verlustvorträge führen. Voraussetzung war, dass der Beteiligungserwerb darauf gerichtet war, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu vermeiden oder zu beseitigen und die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten.

Die Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen erforderte gemäß § 8 c Abs. 1 a Satz 3 KStG, dass

  • die Gesellschaft eine geschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Arbeitsplatzregelung befolgt oder
  • die Summe der maßgeblichen jährlichen Lohnsumme innerhalb von fünf Jahren nicht 400 Prozent der Ausgangslohnsumme unterschreitet oder
  • der Gesellschaft neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 %  der Bilanzsumme entspricht. Gleichwertig ist der Erlass von werthaltigen Verbindlichkeiten durch den Erwerber. Leistungen der Gesellschaft an einen Gesellschafter innerhalb von drei Jahren nach Zuführung des Betriebsvermögens mindern den Wert des zugeführten Vermögens.

Die Anwendung der Sanierungsklausel war gemäß § 8 c Abs. 1a Satz 4 KStG nicht anwendbar, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs ihren Geschäftsbetrieb bereits im Wesentlichen eingestellt hatte oder innerhalb von fünf Jahren nach Beteiligungserwerb ein Branchenwechsel erfolgte.

Die Europäische Kommission hat gegen diese Sanierungsklausel ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet, da es sich bei der Vorschrift um eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe handele. Die Finanzverwaltung wendet daher die Sanierungsklausel bis zu einem abschließenden Beschluss der Kommission nicht mehr an. Es bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Europäische Kommission im derzeit laufenden Prüfverfahren gelangt.

Letztmalige Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG a. F.

Zwar wurde die Vorgängerregelung des § 8 c KStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 aufgehoben, die Vorschrift ist jedoch neben § 8 c KStG weiter anzuwenden, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren übertragen werden, der vor dem 01.01.2008 beginnt und wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität vor dem 01.01.2013 eintritt.

Nach § 8 Abs. 4 KStG a. F. ist Voraussetzung für den Verlustabzug, dass die Gesellschaft, die den Verlust erlitten hat, und die Gesellschaft, die den Verlust abziehen will, rechtlich und wirtschaftlich identisch sind. Dies ist insbesondere dann nicht mehr der Fall, wenn

  • innerhalb eines Fünfjahreszeitraums mehr als 50 %  der Anteile übertragen wurden und
  • innerhalb von zwei Jahren nach der Anteilsübertragung die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.

Eine Ausnahme besteht nach § 8 Abs. 4 KStG a. F. in den Fällen, in denen die Zuführung des neuen Betriebsvermögens allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dient und die Gesellschaft nach der Zuführung des Betriebsvermögens ihren Geschäftsbetrieb in vergleichbarem Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt.

Unter Betriebsvermögen im Sinne der Vorschrift wird das auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesene Vermögen verstanden, also sowohl Anlage- als auch Umlaufvermögen. Ein Forderungsverzicht eines Gläubigers führt somit nicht zu einer Zuführung von Betriebsvermögen im Sinne des § 8 Abs. 4 KStG a. F., da dieser nur die Passivseite vermindert. Nach Ansicht des BFH sollen auch Zuführungen in das Umlaufvermögen unberücksichtigt bleiben. Die Finanzverwaltung wendet diese Urteile jedoch nicht an. Anders als § 8 c KStG erfasst § 8 Abs. 4 KStG a. F. nur unmittelbare Beteiligungserwerbe.

In der nächsten Ausgabe von bdp aktuell befassen wir uns mit dem Komplex „Umsatzsteuern in der Sanierung“.

Steuerrisiken bei der Sanierung