Ohne eine schriftlich fixierte Unternehmensstrategie weiß noch nicht einmal die Unternehmensleitung, wohin die Reise geht

Ohne eine schriftlich fixierte und damit korrigierbare Unternehmensstrategie weiß im Zweifelsfall noch nicht einmal die Unternehmensleitung, wohin die unternehmerische Reise geht. Das ist fatal - und zwar gerade dann, wenn unvorhergesehene Gefahren und Ereignisse zu schnellen Richtungsänderungen zwingen. Auch Zielvorgaben, die nicht erreicht werden, geben Orientierung über die zurückgelegte Strecke und die erreichte Position! Wir möchten daher in einer neuen Serie zur Überprüfung der Unternehmensstrategie Methoden erläutern, mit denen Sie Ihr Unternehmen strategisch ausrichten bzw. dessen strategische Ausrichtung neu justieren können.

In Zeiten intensiver Veränderungen der regionalen und globalen Märkte, in denen das einzig Beständige der Wandel zu sein scheint, wird von manchem Unternehmer der Sinn von langfristig angelegten Unternehmensstrategien generell infrage gestellt. Die Argumentation gegen eine langfristige Unternehmensstrategie ist bestechend einfach: Wie soll man denn in Zeiten, in denen man kaum hervorsagen kann, was im nächsten Monat passiert, Konzepte für fünf und mehr Jahre entwickeln und auch umsetzen? Doch so einleuchtend diese Überlegung auch zu sein scheint, sie ist grundlegend falsch!

Fakt ist, dass wir heute wie zu allen Zeiten Entscheidungen von hoher strategischer Bedeutung treffen. Wir investieren in langfristige Investitionsgüter mit langfristiger Abschreibungsdauer, wir stellen Mitarbeiter ein mit dem Gedanken einer langfristigen Weiterentwicklung dieses Mitarbeiters, wir entwickeln Markenprodukte mit der Absicht, diese am Markt absetzen zu können und vieles mehr. Die Wirklichkeit sieht also ganz anders aus: Wir treffen zu allen Zeiten Entscheidungen von langfristiger, weitreichender Bedeutung, doch die Unsicherheit über diese Entscheidungen ist stark angestiegen.

Wir möchten in dieser neuen Serie „Überprüfung der Unternehmensstrategie“ dafür werben, dass gerade in turbulenten Zeiten auch kleinere mittelständische Unternehmen sich Zeit nehmen sollten, gemeinsam mit ihren Führungskräften entweder eine schriftliche Unternehmensstrategie zu entwickeln oder, wenn vorhanden, diese auf den Prüfstand zu stellen. Als grundlegende Methoden für die Entwicklung einer Unternehmensstrategie stellen wir in dieser Ausgabe die „SWOT-Analyse“ sowie die „Konzentration auf Ihre Kernkompetenz“ vor. Weitere Ansätze, wie Sie Ihre Unternehmensstrategie er- bzw. überarbeiten können, stellen wir Ihnen in den nächsten Ausgaben von bdp aktuell vor.

SWOT-Analyse

Beginnen wollen wir mit dem Herzstück, der sogenannten SWOT-Analyse. SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats und diese Analyse hat das Ziel, Ihnen einen objektiven Eindruck von der Situation Ihres Unternehmens zu verschaffen. Dabei tragen Sie die Ergebnisse Ihrer Selbstanalyse in die vier Felder einer Kreuztabelle ein. Wichtig dabei ist, dass Sie Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken immer auf die relative Wettbewerbsposition Ihres Unternehmens beziehen.

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Es geht nicht darum, sich in allgemeinen Ausführungen zu verlieren, sondern sich konzentriert immer und immer wieder an der Frage auszurichten, wie die Ist-Situation ihres Unternehmen ist (aufgeteilt in die Bereiche Organisation und Planung, Finanzen, Leistungserstellung, Marktorientierung und Führung/Mitarbeiter) und dies als Grundlage (Ist-Zustand) für die weitere strategische Ausrichtung heranzuziehen.

Es zeigt sich, dass diese Ist-Zustände dann klarer und offener zutage treten, wenn die Überprüfung des Ist-Zustandes in einem sozialen Rahmen diskutiert wird. Es empfehlen sich dabei externe Räumlichkeiten und eine externe Moderation, die eine „Öffnung“ der Meinungen der relevanten Führungskräfte herbeiführt.

Konzentration auf Kernkompetenzen

Das Ziel jeder Unternehmensstrategie ist die Diagnose der Wettbewerbsvorteile. Grundlage für Wettbewerbsvorteile sind Kernkompetenzen. Anders als Stärken sind Kernkompetenzen die wirklichen Befähiger für das, was Sie an Besonderheiten im Markt leisten können.

Was sind nun diese „mysteriösen Kräfte“ die Unternehmen dauerhaft erfolgreich machen sollen? Kernkompetenzen sind in der Regel ein Bündel an Fähigkeiten und an Wissen, an Ressourcen und Know-how, das in dieser Kombination in Ihrem Markt nur Ihr Unternehmen hat oder maximal wenige Unternehmen haben. Sie sind die Grundlage für Ihre Einzigartigkeit und damit in ihrer Bedeutung für die Unternehmensstrategie nicht hoch genug zu bewerten.

Bei den vielen Analysen, die wir in Unternehmen verschiedenster Größenordnungen durchgeführt haben, ist uns noch nie ein Unternehmen ohne Stärken begegnet, aber schon sehr viele ohne Kernkompetenzen! Hier liegt die Latte doch viel höher, und es ist von allergrößter Bedeutung für Ihr Unternehmen hier Zeit zu investieren, um das zukünftige Kompetenzprofil Ihres Unternehmens sauber herauszuarbeiten!

Was ist eine Kernkompetenz?

  • Unterscheidbarer Kundennutzen: Kernkompetenzen sind spezifische Fähigkeiten, jenes charakteristische Können, mit dem eine Firma ihren Kunden einen wesentlichen Nutzen anbietet.
  • Besonderes Prozesswissen: Produktionsbezogene Fähigkeiten und Kompetenzen können Kernkompetenzen eines Unternehmens sein, die dem Unternehmen nennenswerte Kostenvorteile bringen, auch wenn diese nicht an den Kunden weitergegeben werden.
  • Deutliche Abhebung von Mitbewerbern: Wettbewerbsrelevant sind Fähigkeiten, die in der Wettbewerbsauseinandersetzung tatsächlich einen Unterschied machen und nicht so rasch kopiert werden können.
  • Künftige Ausbaufähigkeit: Eine Kernkompetenz hat dann Substanz, wenn sie eine Grundlage für den künftigen Eintritt in neue Produktmärkte bildet. Sie wird dadurch eine Schlüsselstelle der Strategieentwicklung.

Ziel dieses Suchprozesses nach Kernkompetenzen ist es, sich ein umfassendes, fundiertes Verständnis der Fähigkeiten zu erarbeiten, denen die Firma ihren derzeitigen Erfolg verdankt.

Als Vorgehensweise haben sich die folgenden sieben Schritte bewährt:

Schritt 1: Erfolge der Vergangenheit („gestern“)

  • Was waren die erfolgreichsten Produkte und Projekte der letzten Jahre?
  • Welche Faktoren waren aus Ihrer Sicht für diesen Erfolg im Einzelnen ausschlaggebend?
  • Für welche Kundenprobleme haben Sie in jüngster Zeit besonders gute Lösungen gefunden? Warum?

Schritt 2: Der unterscheidbare Kundennutzen („außen“)

  • Wie würde der Kunde den wesentlichen Nutzen Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung beschreiben?
  • Warum ist der Kunde bereit, für ein bestimmtes Produkt aus Ihrem Haus mehr zu bezahlen als für ein anderes?
  • Welcher Nutzen ist dem Kunden am wichtigsten?

Schritt 3: Analyse einzelner Geschäftsprozesse („innen“)

  • Auftragsabwicklung, Leistungserstellung, Kundenbindung (Akquisition, Kundenansprache, Service, Kontaktpflegeaktivitäten, Reklamationsbearbeitung etc.), Materialwirtschaft (Einkauf, interne Logistik) sowie Managementprozesse (strategische Ausrichtung, Organisationsentwicklung, Personalmanagement, Controlling, Produkt- und Technologieentwicklung etc.).

Schritt 4: Unterschiede zu den Mitbewerbern („außen“)

  • Wie beschreiben unsere Kunden den Unterschied zwischen uns und unseren Mitbewerbern? Was können wir nach ihrer Ansicht besser / anders als andere Anbieter am Markt?
  • Wie würden die Mitbewerber diesen Unterschied beschreiben? Wie denken wir selbst darüber?
  • Was versucht man von uns zu kopieren? Gibt es etwas, worum man Sie beneidet?

Schritt 5: Ausbaufähigkeit Ihrer Kernkompetenzen („morgen“)

  • Haben die bisher angedachten Kernkompetenzansätze das Potenzial für eine Fülle neuer Produkte und Dienstleistungen oder drohen sie zu einem „Mindesteinsatz“ zu werden?
  • Welche Kernkompetenzen werden in Ihrem Geschäft voraussichtlich in den nächsten Jahren eine Voraussetzung für den Erfolg bilden?

Schritt 6: Gegencheck durch die „produktive Kraft der Negation“

  • Welche Aufträge, an denen Sie sehr interessiert waren, haben Sie nicht bekommen? Was war dafür ausschlaggebend?
  • Was waren die schmerzlichsten Misserfolge der letzten Jahre? Worauf waren diese zurückzuführen?

Schritt 7: Zusammenfassung der gefundenen Kernkompetenzen

  • Es empfiehlt sich, während der Schritte 1 bis 6 die sichtbar gewordenen Kernkompetenzen für sich zu dokumentieren.
  • Außerdem hat es sich bewährt, die identifizierten Kernkompetenzen des Unternehmens grafisch darzustellen. Dies fördert die Kommunikation der Kernkompetenzen ganz erheblich.

In den Folgeausgaben von bdp aktuell werden wir erläutern, wie Sie auf dieser Basis Ihre Unternehmensstrategie ausformulieren können.

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