Mit dem neuen Schuldverschreibungsgesetz können die Bedingungen für Anleihen flexibler angepasst werden

Mit dem am 05. August 2009 in Kraft getretenen neuen Schuldverschreibungsgesetz wurden praxisgerechtere und flexiblere Möglichkeiten geschaffen, Anleihen umzustrukturieren. Alle ab diesem Zeitpunkt emittierten inhaltsgleichen Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen unterliegen dem neuen Recht. Barbara Klein analysiert die neuen Optionen und ihre Anwendungsbedingungen.

Neues Schuldverschreibungsrecht deutlich praxisgerechter

Mit der Gesetzesnovelle wurde das bisherige über 100 Jahre alte Schuldverschreibungsgesetz von 1899 abgelöst, welches seither nahezu unverändert fortgalt, jedoch kaum praktische Bedeutung erlangte. Die fehlende praktische Relevanz des alten Gesetzes lag vor allem an dessen engen Anwendungsvoraussetzungen sowie an den sehr eingeschränkten Möglichkeiten, Anleihebedingungen zu verändern. Das alte Schuldverschreibungsgesetz erlaubt eine Anleiheumstrukturierung durch Veränderung der Anleihebedingungen ausschließlich zur Abwendung der Zahlungseinstellung bzw. der Insolvenz des Unternehmens. Erlaubt sind also nur eng definierte „Notfallmaßnahmen“ – eine mittelfristig angelegte strukturierte Sanierung ist nicht möglich. Hinzu kommt, dass als mögliche Maßnahmen nur eine Veränderung der Zinsen, d. h. Stundung, Verzicht, Herabsetzung des Zinssatzes in Betracht kommt. In Bezug auf die Hauptforderung ist nur eine Stundung möglich. Ein (Teil-)verzicht auf die Hauptforderung ist ausdrücklich ausgeschlossen. Alle Maßnahmen sind zudem nur für maximal drei Jahre zulässig. Selbst wenn man die praktische Umsetzung zur Erreichung der erforderlichen Mehrheiten einmal außen vor lässt, kann unter diesen Rahmenbedingungen eine „alte“ Anleihe, die also noch unter dem alten Recht emittiert wurde, zu einem massiven Problem werden, wenn eine Sanierung erforderlich wird.

Das novellierte Schuldverschreibungsrecht dagegen wurde umfassend an die aktuellen Bedürfnisse des Kapitalmarkts angepasst. Bis auf die Begründung von neuen Leistungspflichten kann nun in einer Gläubigerversammlung grundsätzlich jede Kapitalmaßnahme mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Das bedeutet vor allem, dass die Gläubiger auch auf die Hauptforderung verzichten können, ein Kapitalschnitt möglich ist oder auch ein Umtausch der Anleiheforderungen in Mitgliedschaftsrechte in Betracht kommt. Die Zinsen können umfassend modifiziert werden, Rangänderungen der Forderungen sind möglich – und alle Maßnahmen sind ohne zeitliche Beschränkung erlaubt.

In Bezug auf die möglichen Maßnahmen liegt ein bedeutsamer Unterschied zum alten Recht jedoch darin, dass keine Maßnahme statthaft ist, die nicht ausdrücklich in den Anleihebedingungen vorgesehen ist. Es ist also zukünftig bei der Neuemission einer Anleihe ganz besonders auf die Gestaltung der Anleihebedingungen zu achten und dabei festzulegen, ob und vor allem, in welchem Umfang die Anleihebedingungen nachträglich durch Mehrheitsbeschlüsse verändert werden können.

Übergang auch für „Altanleihen“ möglich

Für Altanleihen, die vor dem 05. August 2009 begeben wurden, beinhaltet das neue Recht eine Übergangsvorschrift, sodass auch bereits bestehende Anleihen in das neue Recht überführt und die neuen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden können.

Schuldner und Gläubiger haben gemeinsam die Möglichkeit eines Opt-in. Das Gesetz sieht für diese Änderung der Anleihebedingungen einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Gläubiger sowie die Zustimmung des Schuldners vor. Regelmäßig dürfte die Initiative für die Anwendbarkeit des neuen Rechts vom Schuldner ausgehen, sodass dessen Zustimmung unproblematisch ist.

Deutlich schwieriger ist das Erreichen der erforderlichen Mehrheiten für die qualifizierte Beschlussfassung aufseiten der Gläubiger.

Für eine Gläubigerversammlung, auf der der Beschluss über die Anwendbarkeit des neuen Schuldverschreibungsrechtes gefasst werden soll, gelten umfassend dessen Vorschriften über die Einberufung der Versammlung, die Beschlussfassung selbst sowie die – neuen – Anfechtungsmöglichkeiten und abschließend den Vollzug der Beschlussfassung.

Das bedeutet, dass sich auch die qualifizierte Mehrheit nach den Regelungen des neuen Rechtes richtet – und diese sind schärfer als die Vorgaben des alten Rechtes! Nach altem Recht bedarf es für einen qualifizierten Beschluss drei Viertel der abgegebenen Stimmen, die wiederum mindestens die Hälfte des Nennwertes der in Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen repräsentieren müssen. In einer ersten Gläubigerversammlung bedarf es also regelmäßig einer Kapitalmehrheit von 50 %. Erfahrungsgemäß ist es jedoch kaum zu realisieren, eine entsprechende Anzahl an Gläubigern zu erreichen und zu mobilisieren. Das alte Recht hatte dies auch schon im Blick und gestattet für den Fall, dass die Stimmenmehrheit von 75 % für den Beschluss zustande kommt, dass ein weiterer Beschluss über die Einberufung einer zweiten Gläubigerversammlung gefasst werden darf. In dieser zweiten Versammlung kann dann eine Beschlussfassung ausschließlich mit der Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Stimmen gefasst werden – völlig losgelöst davon, wie viel Kapital damit vertreten ist. Dies hat zur Folge, dass auch mit nur einem Bruchteil des Anleihekapitals für alle Gläubiger bindende Beschlüsse gefasst werden können.

Mindestens 18,75 % des Anleihekapitals müssen zustimmen

Die erforderlichen Quoten nach neuem Recht sehen so aus, dass eine Gläubigerversammlung dann beschlussfähig ist, wenn mindestens 50 % des Anleihekapitals anwesend sind. Dann bedarf es ebenfalls wiederum 75 % der anwesenden Stimmen für eine qualifizierte Beschlussfassung. Hier kommt es in der praktischen Umsetzung noch nicht zu einer Abweichung, da sowohl Kapitalmehrheit als auch Stimmenmehrheit identisch sind.

Nach neuem Recht hat der Vorsitzende, sofern er mangels Anwesenheit von 50 % Kapital die Beschlussunfähigkeit feststellt, die Möglichkeit, eine zweite Gläubigerversammlung einzuberufen. Diese zweite Gläubigerversammlung ist immer beschlussfähig – bei qualifizierten Beschlüssen ist es aber nun zwingend vorgeschrieben, dass mit den abgegebenen Stimmen mindestens 25 % des Anleihekapitals vertreten sein müssen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass nach neuem Recht qualifizierte Beschlüsse bei mindestens 18,75 % des Kapitals der Anleihe Zustimmung finden müssen.

Dies gilt auch für den Beschluss, mit dem die Gläubigerversammlung den Übergang ins neue Recht beschließen soll.

Vorbereitung einer Gläubigerversammlung ist nicht zu unterschätzen

Vor diesem Hintergrund ist es unbedingt ratsam, bei der Vorbereitung einer Gläubigerversammlung nicht nur die zur Abstimmung gestellten Beschlüsse inhaltlich gut aufzubereiten und klar zu formulieren, um die Gläubiger zu überzeugen und auf der Gläubigerversammlung deren erforderliche Zustimmung zu erhalten, sondern auch, das Anleihekapital überhaupt zu mobilisieren, um bei der Abstimmung nicht an den vorgeschriebenen Kapitalmehrheiten zu scheitern. Dies ist allein mit der gesetzlich vorgesehenen Bekanntmachung der Einberufung der Gläubigerversammlung über den elektronischen Bundesanzeiger kaum zu erreichen. Da die Anleihegläubiger aber regelmäßig nicht bekannt sind, bedarf es eines erhöhten Aufwands, um die Gläubiger zu erreichen, zu informieren und von der Mitwirkung zu überzeugen. Neben der Beachtung der rechtlichen Vorgaben für eine Anleiheumstrukturierung darf auf keinen Fall der organisatorische und taktische Aufwand im Vorfeld der Gläubigerversammlung unterschätzt werden. Die Erfahrungen zeigen, dass nur eine präzise und umfassend vorbereitete Gläubigerversammlung den angestrebten Erfolg haben wird. Das fängt bei der begleitenden Kommunikation an, umfasst ein sorgfältiges System der Kontaktaufnahme über Callcenter bis hin zu der Möglichkeit für den Anleger, eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen.

Nur so kann eine Anleiheumstrukturierung gelingen und als wesentlicher Baustein einer erfolgreichen Sanierung eingesetzt oder für andere strategische Kapitalmaßnahmen genutzt werden.