bdp-Partner Dr. Aicke Hasenheit erläutert die Voraussetzungen, die Ziele und die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens und analysiert, welche Unternehmen damit wieder auf die Erfolgsspur geführt werden können.

Das Hoffnungs- und Überlebenselixier in einer Unternehmensinsolvenz kann „Insolvenzplanverfahren“ heißen. Wenn sich eine Unternehmensinsolvenz anbahnt und nach Wegen für eine Sanierung gesucht wird, kommt nun nach der Reform der Insolvenzordnung durch das ESUG das Thema „Insolvenzplanverfahren“ zur Sprache.

Auch aufgeschlossene Insolvenzverwalter bzw. vorläufige Insolvenzverwalter im Rahmen ihres Gutachterauftrages spenden dem Schuldner bei deren ersten Besuch nach ihrer gerichtlichen Bestellung häufig Hoffnung und schlagen ein Insolvenzplanverfahren als einen schnellen Weg aus der Insolvenz vor. Doch kann das Insolvenzplanverfahren jedes Unternehmen retten? Bietet es die Möglichkeit einer schnellen, nachhaltigen Sanierung?

Wir sind geneigt, diese Fragen in der Summe mit einem klaren „Jein“ zu beantworten. Warum die Antwort auf die genannten Fragen gerade nicht binär ausfällt, wollen wir mit einer Analyse des Verfahrens hier darstellen.

Welche Ziele hat das Insolvenzplanverfahren?

Das Insolvenzplanverfahren weicht von den Liquidationsregeln der Insolvenzordnung (InsO) und einer normalen Regelinsolvenz ab: Es soll und muss nämlich eine bessere Befriedigung der Gläubiger erreichen. Ziel des Insolvenzplanverfahrens ist zunächst nicht die Sanierung des Unternehmens. Das Ziel des Insolvenzplanverfahrens ist vielmehr, die Gläubiger besserzustellen, als dies im Falle einer zerschlagenden Insolvenz möglich wäre. Deshalb wird im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens immer eine Vergleichsrechnung aufgestellt. Dabei wird gegenübergestellt, wie die Gläubiger im Falle einer zerschlagenden Regelinsolvenz und wie im Falle eines Insolvenzplans befriedigt werden. Nur wenn mit einem Insolvenzplan eine Besserstellung der Gläubiger zu erwarten ist, hat dieser Weg Aussicht auf Erfolg. Diese ist die Voraussetzung für die dann noch zwingend notwendige  Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht und die Gläubiger. Mit anderen Worten: Mit einem Insolvenzplanverfahren wird die Möglichkeit eröffnet, eine Insolvenz durch den Schuldner zusammen mit den Gläubigern einvernehmlich abzuwickeln. Die konkrete Ausgestaltung kann dabei vielfältige Formen annehmen.

Wie wird das Insolvenzplanverfahren durchgeführt?

Unter dem Vorbehalt, dass die Gläubiger bessergestellt werden, können in einem Insolvenzplanverfahren die Befriedigung der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und die Verteilung der Masse in einem Insolvenzplan grundsätzlich abweichend von den sonstigen Vorschriften der Insolvenzordnung geregelt werden. Dadurch können beispielsweise auch die Belange der Arbeitnehmer und insbesondere deren Absicherung besonders berücksichtigt werden.

Das Insolvenzplanverfahren ermöglicht den Gläubigern einer insolventen Gesellschaft, durch Mehrheitsentscheidung eine konkrete Gestaltung der Insolvenzabwicklung verbindlich festzulegen. Das Insolvenzplanverfahren bildet dabei den Rahmen für die Entscheidung der Gläubiger, wie die beste Haftungsverwirklichung realisiert werden kann: vordringlich durch Fortführung des schuldnerischen Unternehmens, eine übertragende Sanierung, eine teilweise Einzelverwertung oder auch die Liquidation.

Dabei ist das Insolvenzplanverfahren technisch gesehen ein besonderes Verfahren im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens.

Wie werden die Interessen der Gläubiger berücksichtigt?

Die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger werden in besonderer Form dadurch berücksichtigt, dass sie bei der Annahme des Insolvenzplans über diesen in Gruppen abstimmen müssen. Selbst wenn die Mehrheit der Gläubiger dem Plan zugestimmt hat, muss das Gericht unter Umständen die Bestätigung versagen, wenn ein widersprechender Gläubiger – etwa Teile der Arbeitnehmer – glaubhaft macht, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird als im Falle einer Liquidation (der zerschlagenden Insolvenz).

Was sind die Voraussetzungen für die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens?

Um es klarzustellen: Das Insolvenzplanverfahren nach der Insolvenzordnung kann nur dann eingeleitet werden, wenn durch den Schuldner (Eigenantrag) oder einen Gläubiger (Fremdantrag) ein Insolvenzantrag gestellt und daraufhin das Verfahren auch tatsächlich eröffnet worden ist. Zur Vorlage des Insolvenzplans sind der Schuldner sowie der Insolvenzverwalter berechtigt.

Es muss auch klar gesagt werden: Ein Insolvenzplanverfahren wird in der Regel nur machbar sein, wenn auch Geld zur Verfügung steht. Ohne Geld kann der Insolvenzplan nicht vorbereitet bzw. aufgestellt werden, ohne Geld kann der erforderliche Planbeitrag nicht erbracht werden.

Wann muss der Insolvenzplan vorgelegt werden und was enthält er?

Das Insolvenzplanverfahren wird durch die Vorlage eines Insolvenzplans bei dem zuständigen Insolvenzgericht beantragt. Der Schuldner kann den Plan auch schon bereits mit der Antragstellung vorlegen. Der Insolvenzverwalter selbst ist vorlageberechtigt oder kann dazu verpflichtet werden, wenn die Gläubigerversammlung ihn unter Vorgabe bestimmter Planziele damit beauftragt. Den Gläubigern steht kein eigenes Initiativrecht zu.

Der darstellende Teil des Insolvenzplans

Der Insolvenzplan selbst hat dann einen sogenannten darstellenden und einen sogenannten gestaltenden Teil. Der darstellende Teil enthält Angaben zu den Maßnahmen, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahren zu treffen sind, um die „Grundlage für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen“ (§ 220 InsO). Der darstellende Teil soll ferner den Gläubigern die Möglichkeit geben, anhand umfassender Informationen darüber zu entscheiden, ob der Plan angenommen werden kann.

Der gestaltende Teil des Insolvenzplans

Im gestaltenden Teil wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll (vgl. § 221 InsO). Es werden Gläubigergruppen nach der Einteilung Ihrer Stellung im Insolvenzverfahren gebildet und diesen Gruppen bestimmte Rechte zugewiesen. Innerhalb einer Gruppe sind alle Gläubiger gleich zu behandeln. Zum gestaltenden Teil gehören z. B. dann auch Aussagen, auf welche Weise welche Forderungen voll erfüllt werden, welche gestundet und welche erlassen werden sollen.

Neue Instrumente für die Sanierung durch das ESUG

Durch das am 01. März 2012 in Kraft getretene Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) wurde eine Reihe neuer Möglichkeiten geschaffen, wie der Insolvenzplan gestaltet werden kann. Intention des ESUG ist es ja explizit, Sanierungen zu erleichtern. Hierzu gehört z. B. das Instrument „Debt-Equity-Swap“, durch das im Insolvenzplan vorgesehen werden kann, dass Forderungen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldnerunternehmen umgewandelt werden.

Wie wird der Insolvenzplan in Kraft gesetzt?

Der Insolvenzplan muss dem Insolvenzgericht vorgelegt werden, das ihn auf Formalien überprüft. Anschließend wird der Plan dem Gläubigerausschuss und dem Schuldner bzw. Insolvenzverwalter (abhängig davon, wer ihn vorgelegt hat) zur Stellungnahme übersandt.

Das Insolvenzgericht weist den Plan dagegen ab, wenn er die gesetzlichen Vorgaben über den notwendigen Planinhalt nicht erfüllt oder er offensichtlich keine Aussicht auf Erfüllung durch den Schuldner oder die Annahme durch die Gläubiger hat (vgl. § 231 InsO).

In einem Erörterungs- und Abstimmungstermin muss der Insolvenzplan dann durch einen Beschluss der Gläubiger angenommen werden. Die Gläubiger stimmen in den festgelegten Gruppen ab, wobei jede Gruppe gesondert abstimmt. Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe eine Kopf- und Summenmehrheit erreicht wird (vgl. § 244 InsO). Es bedarf also einer doppelten Mehrheit, nämlich sowohl der abstimmenden Gläubiger als auch der Summe der Ansprüche. Genauer: Die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger muss mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger betragen (vgl. § 244 InsO). Auch die Zustimmung des Schuldners ist erforderlich.

Die Rechtsmittel gegen die Planbestätigung sind beschränkt

Es gibt Beschränkungen der Rechtsmittel gegen die Planbestätigung. Damit soll erreicht werden, dass nicht einzelne Gläubiger durch missbräuchliches Verhalten das Inkrafttreten des Insolvenzplans verzögern oder verhindern. Es soll also verhindert werden, dass ein wirtschaftlich sinnvoller Plan am Widerstand einzelner Gläubiger scheitert. Die Wirkungen eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans treten für und gegen alle Beteiligten ein, also auch gegenüber den Insolvenzgläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben und gegenüber den Beteiligten, die dem Plan widersprochen haben oder nicht weiter in Erscheinung getreten sind.

Mit der Rechtskraft des Insolvenzplans ist das Insolvenzverfahren aufgehoben, es sei denn, im Plan ist die Überwachung seiner Erfüllung durch den Insolvenzverwalter vorgesehen.

Die Identität des Unternehmens bleibt erhalten

Im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens bleibt die Identität des Unternehmens erhalten. Aus diesem Grund ist das Insolvenzplanverfahren immer dann besonders attraktiv, wenn der Geschäftsbetrieb des Schuldners von Konzessionen oder Genehmigungen abhängig ist, die nicht ohne Weiteres auf Dritte (eine Auffanggesellschaft) übertragen werden können oder derartige Konzessionen/Genehmigungen nur mit erheblichen Aufwand durch eine Auffanggesellschaft neu beantragt werden müssten.

Wie kann das Insolvenzplanverfahren mit der sogenannten Eigenverwaltung verknüpft werden?

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert die bisherige Geschäftsführung die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin. Dies ist jedoch bei einem Verfahren in Eigenverwaltung nicht der Fall, das mit einem Insolvenzplan kombiniert werden kann. Dabei behält die bisherige Geschäftsführung die Leitung des Unternehmens. Sie steht aber unter der Aufsicht des Insolvenzverwalters, der als „Sachwalter“ amtiert.

Darüber hinaus wird auch ein Sanierungsberater gefordert (meist Bestellung als Generalbevollmächtigter), der die Prozesse im insolventen Unternehmen begleitet. Die Eigenverwaltung hat den Vorteil, dass bei der Sanierung das Wissen und die Fachkompetenz der bisherigen Geschäftsleitung genutzt werden kann, gleichzeitig jedoch ein erfahrener Insolvenzexperte die Geschicke des Unternehmens mitbestimmt. Zusätzlich werden die Interessen der Insolvenzgläubiger dadurch abgesichert, dass ein Sachwalter die Geschäftsführung überwacht und dabei kontrolliert, ob der Insolvenzzweck nicht gefährdet wird.

bdp war in den Jahren 2014 bis 2017 bei der Willems GmbH als Sanierungsberater tätig und konnte zusammen mit der Geschäftsleitung das Unternehmen vollständig sanieren.