Die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019 soll in Deutschland zeitnah umgesetzt und gleichzeitig das Insolvenzrecht reformiert werden.

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Mit der Vorlage eines Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz und Verbraucherschutz für ein „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG“) war es seit dem 19.09.2020 amtlich: Die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019 soll in Deutschland zeitnah umgesetzt und gleichzeitig das Insolvenzrecht reformiert werden. Dem Referentenentwurf folgte am 14.10.2020 der Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Kritik an eiliger Gesetzgebung

Zwischenzeitlich hatte sich viel Kritik an dem Gesetzgebungsvorhaben geregt. Ein wesentlicher Kritikpunkt war die Eile, mit der das Gesetz durchgepeitscht wurde, denn das Gesetz soll bereits zum 01.01.2021 (nach Redaktionsschluss von bdp aktuell) in Kraft treten. Angesichts des Umfangs der Regelungen und der Auswirkungen insbesondere auf die Gerichtsorganisation wird von vielen die Hast, mit der das Gesetzgebungsvorhaben vorangetrieben wird, als unnötig und nicht sachgerecht empfunden, insbesondere weil die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, Art. 34, eine Umsetzung erst zum 17.07.2021 fordert.

Angesichts dieser Kritik konnte bdp aktuell bei Redaktionsschluss noch nicht absehen, ob das Gesetz tatsächlich am 01.01.2021 in Kraft treten wird. Aber da die Umsetzung der EU-Richtlinie spätestens bis Jahresmitte erfolgen muss und die grobe Richtung der Insolvenzrechtsreform sich bereits jetzt relativ klar abzeichnet, wollen wir Ihnen die neuen Instrumente vorstellen. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG-RegE“)“ vom 14.10.2020.

Das SanInsFoG-RegE ist ein Artikelgesetz, innerhalb dessen mehrere Gesetze geändert und ein neues Gesetz geschaffen werden: Das Herzstück des SanInsFoG-RegE ist sicherlich das neue Gesetz über den „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und ‑restrukturierungsgesetz – StARUG)“. Das StARUG ist im Wesentlichen auch der Grund für die Änderungen in den weiteren Gesetzen, insbesondere der Insolvenzordnung (InsO).

Änderungen bei der Insolvenzantragspflicht

Durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz vom 27.03.2020 (COVInsAG) war für Unternehmen, die bedingt durch die Covid-19-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, die Insolvenzantragspflicht für Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung gem. §  15a InsO bis zum 30.09.2020 ausgesetzt.

Für den Insolvenzgrund „Überschuldung“ wurde die Aussetzung bis zum 31.12.2020 verlängert. Eine weitere Verlängerung ist nicht zu erwarten. Dafür sieht § 4 COVInsAG vor, dass im Jahr 2021 Sonderregelungen für die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung gelten.

Durch das SanInsFoG-RegE wird in § 19 Abs. 2 S. 1 InsO der Prognosezeitraum für die Fortbestehensprognose erstmalig gesetzlich geregelt: Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Im gleichen Zug wird dem COVInsAG eine Neuregelung hinzugefügt (§ 4 Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung): Abweichend von der o. g. Neuregelung in der InsO ist zwischen dem 01. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 anstelle des Zeitraums von zwölf Monaten ein Zeitraum von vier Monaten zugrunde zu legen, wenn 1. der Schuldner zum 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war, 2. der Schuldner in dem letzten, vor dem 01. Januar 2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und 3. der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 vom Hundert eingebrochen ist.

Die Definition des Prognosezeitraums wird also noch einmal für ein Jahr verkürzt, um den Folgen der Covid-19-Pandemie entgegenzuwirken.

Pflicht zur Krisenfrüherkennung

In § 1 SanInsFoG-RegE wird die Pflicht zur „Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern“ geregelt. Die Verletzung dieser Pflicht kann gravierende Folgen nach sich ziehen, denn im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) haben die Geschäftsleiter die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren und eine Pflichtverletzung liegt schon vor, wenn der Geschäftsleiter nicht auf der Grundlage angemessener Informationen gehandelt hat (§ 2 Abs. 1 SanInsFoG-RegE). Und ein Geschäftsleiter, welcher diese Pflicht verletzt, haftet für den entstandenen Schaden, es sei denn, er hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten (§ 3 Abs. 1 SanInsFoG-RegE).

Die drohende Zahlungsfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Bisher war nicht geregelt, wie lang der Prognosezeitraum für die Prüfung der Zahlungs(un)fähigkeit anzusetzen ist. Dies wird nun auch geregelt: „In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen“ (§ 18 Abs. 2 InsO gem. SanInsFoG-RegE).

Das bedeutet also für die Geschäftsleitung, dass sie über zwei Jahre ihre Liquidität planen muss. Bereits die mangelnde Planung kann zur Haftung führen. Diese scharfe Haftung bereits im Stadium der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird von vielen als zu streng und ungerechtfertigt angesehen. Der deutsche Gesetzgeber weicht zum Nachteil der Geschäftsleitung von den europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, Art. 19 ab, die die Haftung nur für vorsätzliches und grob fahrlässiges Handeln vorsieht.

Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber hier noch nachbessert. Andernfalls ist bei Unternehmensinsolvenzen, die einer drohenden Zahlungsunfähigkeit folgen, mit einer Klagewelle der Insolvenzverwalter gegen Geschäftsleiter zu rechnen.

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen

Die sicherlich am meisten in der Öffentlichkeit beachteten Neuregelungen betreffen den neu geschaffenen „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen“, Teil 2 des StARUG-E. Er wird ergänzt durch ein ebenfalls neu geschaffenes Instrumentarium, die Sanierungsmoderation, Teil 3 des StARUG-E (siehe unten).

Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens sollen der nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit dienen, wofür den Schuldnern zukünftig folgende Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zur Verfügung gestellt werden sollen.

  • Die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung),
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung),
  • die gerichtliche Beendigung von gegenseitigen, noch nicht beiderseitig vollständig erfüllten Verträgen (Vertragsbeendigung),
  • die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung) und
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung).

Kernstück der Maßnahmen ist sicherlich der Restrukturierungsplan (§§ 4 – 25 StARUG-E): „Gleich einem Insolvenzplan bildet der Restrukturierungsplan die Grundlage für Eingriffe in die Forderungen und Rechte von Gläubigern und Anteilsinhabern auf der Grundlage einer Mehrheitsentscheidung der Beteiligten.“ (Begründung zum Regierungsentwurf)

Anders als der Insolvenzplan soll der Restrukturierungsplan aber bereits außergerichtlich wirksam werden:

  • Aufgrund außergerichtlicher Verhandlung und Abstimmung, aber nur, wenn alle Planbetroffenen zustimmen (§ 20 StARUG-E: „Im Zweifel ist anzunehmen, dass das Planangebot unter der Bedingung steht, dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder dass der Plan gerichtlich bestätigt wird“).
  • Aufgrund außergerichtlicher Verhandlung und Abstimmung, wenn die Planbeteiligten mehrheitlich zustimmen und auf Antrag des Schuldners eine gerichtliche Bestätigung des Plans erfolgt.
  • Aufgrund außergerichtlicher Verhandlung und Abstimmung, wenn auf Antrag des Schuldners ein gerichtliches Abstimmungsverfahren erfolgt und die Planbetroffenen (mehrheitlich) zustimmen.

Die weiteren Details folgen in der nächsten Ausgabe von bdp aktuell.